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Geld, Geschichte und moralische Ökonomien: Kommunikative Funktionen monetärer Informationen in der institutionellen Historiografie des späteren Mittelalters (1250–1530)
Antragsteller
Dr. Marcus Meer
Fachliche Zuordnung
Mittelalterliche Geschichte
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 548264129
Dieses Projekt untersucht Erwähnungen von Geldbeträgen und Auseinandersetzungen mit Geld in der Chronistik von Städten und Klöstern (sowohl Frauen- als auch Männerklöstern) sowie von Fürsten- und Königshöfen der nordwesteuropäischen Tiefebene vom späten dreizehnten bis zum frühen sechzehnten Jahrhundert. Ein "close reading" solcher monetärer Informationen untersucht, inwieweit diese Informationen nicht nur das Ergebnis persönlicher oder professioneller Interessen von Chronist:innen oder Ausdruck eines sich ausbreitenden monetären Bewusstseins waren. Vielmehr scheint diese monetäre Rhetorik in den Dienst konkreter institutioneller Strategien des Erinnerns der Vergangenheit gestellt worden zu sein. In Anlehnung an Zugriffe des diskursiven Institutionalismus fragt dieses Projekt nach dem kommunikativen Potenzial dieser monetären Information angesichts konkreter Herausforderungen der Gegenwart und hinsichtlich zukünftigen Handelns. Angesichts akuter Krisen unterstützten monetäre Informationen womöglich, erstens, identitätsstiftende Absichten, insofern monetäre "Höhen" und "Tiefen" als Teil einer gemeinsam erlebten institutionellen "Geschichte erinnert wurden. Zweitens wurde monetäre Rhetorik in der mittelalterlichen Historiografie vielleicht auch für individuelle wie kollektive Rechtfertigungsstrategien genutzt, die Verantwortung für politische Entscheidungen und wirtschaftliche Zustände ablehnten, beanspruchten oder zuwiesen und so etwa Führungsfiguren bzw. -gruppen Legitimität zu verleihen oder abzusprechen versuchten. Drittens formulierten sich in monetären Informationen normative Ambitionen hinsichtlich der ökonomischen Praktiken von Institutionen. Sie leiteten die Entscheidungsträger:innen der Zukunft beispielsweise an, gescheiterte "Experimente" zu vermeiden und stattdessen "Erfolgsbeispielen" zu folgen, aber auch moralische Erwägungen nicht außer Acht zu lassen. Insofern schlägt dieses Projekt mit der Geschichtsschreibung eine Erweiterung der konstitutiven Kommunikationsmedien einer "moralischen Ökonomie" der Vormoderne vor: mittelalterliche Chronisten kommunizierten in ihren Schriften ein durchaus differenziertes Verständnis des Verhältnisses von Moral und Praxis von Geld und Wirtschaft, das einem dichotomischen Epochenverständnis vom geld- und wirtschaftsfernen Mittelalter einerseits und der monetär-ökonomisch aufgeklärte Moderne andererseits eindeutig widerspricht. Zu dieser Differenzierung trägt auch der vergleichende Zugriff auf die historiografische Überlieferung verschiedener Institutionen, Geschlechter und Regionen bei, der unterschiedlichen Manifestationen eines sich entwickelnden monetären Bewusstseins und institutionell womöglich unterschiedlichen religiösen/moralischen Sensibilitäten sowie situationsbezogenen legitimierenden/apologetischen Erfordernissen nachspürt.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen