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Atelier/Fotografie: Brassai und die Künstler der Ecole de Paris in der Fotografie
Antragstellerin
Ulrike Blumenthal
Fachliche Zuordnung
Kunstgeschichte
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 552378825
Gegenstand der Diss. sind die zahlreichen Atelierfotos des ungarisch-französischen Fotografen Brassai (1899-1984). Die Aufnahmen von Pariser Malern und Bildhauern wie Pierre Bonnard, Georges Braque, Alberto Giacometti oder Pablo Picasso spielen für das Künstlerbild der Moderne im Allgemeinen und für die Rezeption der École de Paris im Besonderen eine ausschlaggebende Rolle. Mit ihnen rücken die Inszenierung, Medialisierung und Verbreitung eines romantischen Künstlerbildes in den Mittelpunkt, das mit der Geschichte und dem Definitionsprozess der École de Paris eng verknüpft ist. Konzepte wie Originalität, Imagination oder Inspiration bilden zentrale Anschlusspunkte für das (Selbst-)Verständnis einer heterogenen Gruppe einheimischer und emigrierter Künstler, die die Kunstkritik ab den 1920er Jahren unter dem Namen der École de Paris zu fassen sucht. Unter der Frage, wie Brassais Aufnahmen das Bild des modernen Künstlers fotografisch entwickeln, werden in vier Kapiteln ihre formalästhetische Genese, ihr kulturgeschichtlicher Kontext und ihre Vermittlungsformen analysiert. Die Fotografien zeigen einen individuellen Blick, der die persönliche Umgebung der Porträtierten auflädt und zugleich an traditionelle Konzepte vom Künstler und seinem Atelier anknüpft. In einem Spannungsfeld zwischen Typus und Individuum schreiben die Aufnahmen Bildmotiviken ebenso wie literarische Topoi vom Atelier als Rückzugsort (Braque), der Ateliereinrichtung als Spiegel des Werkes (Picasso) oder dem Atelier des Bildhauers als auratischer, vom Material generierter Ort (Giacometti) im fotografischen Medium fort. Sie rufen dabei den dokumentierenden Stil des Neuen Sehens auf, beruhen aber auf gezielten Interventionen des Fotografen. Die sich in das künstlerische Werk einfühlende Darstellung setzt in den 1930er Jahren neue Maßstäbe für die Darstellung von Künstlerateliers. Veröffentlicht in französischen Kunstzeitschriften bieten Brassais Aufnahmen den Malern und Bildhauern der École de Paris ein wirkungsvolles Instrument in ihrem Kampf um Deutungshoheit. Die Veröffentlichung der Fotografien in der US-amerikanischen Harper’s Bazaar nach dem Zweiten Weltkrieg dagegen verweist auf die globale visuelle Prominenz der Pariser Künstler und nährt sich aus einer Erzählung, die den Mythos der Stadt Paris auf den Mythos des Ateliers treffen lässt und deren Narrative wechselseitig fortschreibt. Brassais Aufnahmen wirken für die Entwicklung nach 1945 katalysierend, in der die fotografische Darstellung des Pariser Künstlers im Atelier durch Fotografien wie Henri Cartier-Bresson oder Alexander Liberman eine bemerkenswerte Popularität erfährt. Sie tragen zur Allgegenwärtigkeit der modernen Künstlerfigur bei, die bis heute kaum etwas von ihrer Wirksamkeit verloren hat. In ihrer Ambivalenz von Einschluss und Ausschluss, Originalität und Wiederholung stehen Brassaїs Atelieraufnahmen im Kontext der Moderne und ihrer Mythen und stellen die Frage nach der Aktualität des autonomen Kunstbegriffs.
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen
