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Unterm Skalpell. Verstümmelung als Körper-und Textpraxis im Frankreich der Frühen Neuzeit (1500-1800)

Fachliche Zuordnung Germanistische Mediävistik (Ältere deutsche Literatur)
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 553362452
 
Das Publikationsprojekt untersucht erstmals aus literatur- und kulturwissenschaftlicher Perspektive das Phänomen der Verstümmelung als Text- und Körperpraxis im Frankreich der Frühen Neuzeit. Der Band verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, der sich auf die aktuelle Forschung und Theoriebildung im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften stützt. So tragen die in diesem Band enthaltenen Studien zu den Disability Studies, den Gender Studies, der Physical Bibliography sowie der ldeen- und Mentalitätsgeschichte bei. Der historische Ansatz ist dabei äußerst gewinnbringend: die Beiträge werfen aus frühneuzeitlicher Sicht, Fragestellungen auf, die bis heute Bestand haben, nämlich nach dem Umgang mit körperlicher Behinderung und sexualisierter Gewalt gegen Frauen. Die Beiträge untersuchen Praktiken der Verstümmelung als doppeltes Paradigma, fokussieren also die verschiedenen Analogienverhältnisse zwischen den textuellen und körperbezogenen Signifikanten: der verstümmelte Körper als Subjekt vormoderner Texte, der Körper als Text, der eine Geschichte erzählt, der Text als Körper, der unter den Folgen der Verstümmelung leidet, und so weiter. Unser Band gliedert sich in vier Teile, die aufeinander aufbauen und thematisch miteinander verwoben sind. lm ersten Teil, Mutilations créatives [Kreative Verstümmelungen], wird gezeigt, wie verstümmelten Körperteilen ein schöpferisches Potential zugeschrieben wurde, das sich beispielsweise in einem neuen Sprachgebrauch niederschlägt. Die Analysen des zweiten Teils, Mutilations (re)moralisées [(Un)Moralische Verstümmelungen], hinterfragen den Eingriff in die lntegrität des Leibeš aus Sicht eines christlichen Körper- und Moralverständnisses. lm dritten Teil, Mutilations sexuelles et cutanées [Sexuelle Verstümmelungen und Hautmutilationen], geht es um die Folgen von Verstümmelungshandlungen, die aus einem sexualisierten (Gewalt)akt resultieren und eine ästhetische Relevanz haben können. lm vierten Teil, Mutiler, censurer et transformer le corps des œuvres [Buchverstümmelungen und Zensur] stehen materielle Eingriffe in den Textträger (Manuskripte, Drucke oder ganze Bücher) im Zentrum, also eine bewusste oder versehentliche Veränderung der Textkörpers, der meist aus dem Wunsch nach Zensur entspringt, aber auch innovative Auswirkungen auf den Text selbst haben kann. Die Primärtexte kombinieren kanonische und bislang gänzlich unbekannte Texte. insgesamt zielt unser Buch darauf ab, zu zeigen, dass Praktiken der Verstümmelung kulturgeschichtlich hoch komplexe, teils widersprüchlich Bedeutungssysteme zugrunde liegen. In diesem Sinne leistet der vorliegende Band einen Beitrag zur Kulturgeschichte des versehrten Körpers, der an der Schnittstelle vielfältiger Diskurse steht und bis heute unser Körperverständnis prägt. Der Band vereint erstmals 14 unveröffentlichte Beiträge internationaler Forscher aus Europa (Deutschland, Frankreich, Schweiz) und den USA.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
 
 

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