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Die Textgeschichte des Buches Judit neu bewertet
Antragstellerin
Professorin Dr. Barbara Schmitz
Fachliche Zuordnung
Katholische Theologie
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 556455262
In der hoch produktiven Forschung der jüdischen Literatur aus hellenistisch-römischer Zeit stellt das Buch Judit einen zentralen Bezugspunkt dar. Eine der wesentlichen Forschungsfragen beschäftigt sich damit, dass die frühesten Fassungen des Juditbuchs nur in griechischer Sprache vorliegen, und zwar durchweg in Rezensionen. In der Tat lässt sich unter den ältesten bekannten Handschriften keine einzige hebräische oder aramäische Version des Textes ausfindig machen. Vor diesem Hintergrund besteht das übergeordnete Ziel des Projekts in einer Neubewertung der Textgeschichte des Buches Judit. Während sich die bisherige Forschung darauf konzentrierte, die ursprüngliche Fassung des Textes zu rekonstruieren, kehrt dieses Projekt die Perspektive um und fokussiert sich stattdessen auf die Unterschiede zwischen den verschiedenen Judit-Texten. Das übergeordnete Forschungsinteresse besteht in der Untersuchung der verschiedenen Judit-Fassungen, ihrer eigenständigen Analyse sowie ihrer jeweiligen Rezensions- bzw. Übersetzungstechniken. Zu diesem Zweck wird eine digitale Plattform erstellt, die intuitiv zu bedienen ist und über die sorgfältig ausgewählten Manuskripte in diplomatischer Form dargeboten werden. Diese bildet die Grundlage für eine umfassende Studie der einzelnen Textzeugen, ihrer verschiedenen Rezensions- bzw. Übersetzungstechniken sowie ihrer historischen, kulturellen und theologischen Kontextualisierung. Die Untersuchung zielt darauf ab, die „Welt“, Zeit, Ort, Ziele und Absichten jedes ausgewählten Textzeugnisses zu analysieren. Hierzu werden insgesamt zehn Handschriften aus der griechischen, lateinischen, syrischen und mittelalterlichen hebräischen Texttradition ausgewählt, die jeweils eine zentrale Scharnierstelle in der Rekonstruktion der Textgeschichte darstellen. Darunter befinden sich auch die Minuskeln 53 und 583, deren Verortung höchst umstritten ist und die bisher noch nicht ediert wurden. In dieser Hinsicht profitiert das Projekt in hohem Maße von den jüngsten Entwicklungen in der Übersetzungswissenschaft und der griechischen Septuagintaforschung und führt diese zugleich weiter. Die Ergebnisse dieser Studie werden in Form einer digitalen Monographie veröffentlicht. Darüber hinaus ist dieses Projekt von besonderer Bedeutung für die spätantike und mediävistische Forschung: Obwohl Judith nicht zum hebräischen Kanon gehört, hat das Judentum im Mittelalter das Buch Judit wiederentdeckt - und zwar über die christliche Vulgata. Dies hat sogar dazu geführt, dass die Rezeption der Juditerzählung die Art und Weise, wie das Chanukka-Fest gefeiert wurde, beeinflusst hat. Die Frage nach den jüdisch-christlichen Beziehungen und den transkulturellen Bezügen im Mittelalter steht daher im Mittelpunkt des vorliegenden Projekts. Durch den direkten Zugang zu den einzelnen Textzeugen setzt das Projekt neue Maßstäbe in der Judith-Forschung und führt zu einer neuen Rekonstruktion und historischen Kontextualisierung der Textüberlieferung des Buches.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Mitverantwortlich
Privatdozent Dr. Christian Reul
