Detailseite
Vokalreduktion und Vokalverlust in deutschen Dialekten - strukturelle Kohärenz und Kognition
Antragstellerinnen / Antragsteller
Professorin Dr. Ulrike Domahs; Professor Dr. Alfred Lameli
Fachliche Zuordnung
Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 531445091
Die Abschwächung unbetonter Endsilben seit althochdeutscher Zeit ist einer der wichtigsten morphophonologischen Prozesse des Deutschen. Neben dem Umbau des Flexionssystems hat die Endsilbenabschwächung unmittelbare Auswirkung auf die prosodische Wortstruktur im Deutschen. Im Gegensatz zur Standardsprache, wo uns i.d.R. die zu Schwa reduzierten Endsilben begegnen, sind in den deutschen Dialekten immer noch volle, aber auch apokopierte Silben zu finden. Auf dem diachronen Entwicklungspfad stehen Dialekte und Standardsprache somit auf unterschiedlichen Stufen und weisen unterschiedliche prosodische Wortstrukturen auf, die im Projekt näher analysiert werden sollen. Das übergeordnete Ziel des Projekts ist die Identifizierung der sprachgeographischen Verteilung voller, reduzierter und apokopierter Endsilben der deutschen Dialekte und die Analyse ihrer Auswirkungen auf die Sprachverarbeitung. Durch die Kombination der geolinguistischen Bedingungen und ihrer Perzeptionsgrundlagen sollen Einblicke in die historische Entwicklung der Vokalreduktion und des Vokalverlustes im Deutschen gewonnen werden. Zwei Forschungsstränge werden hierfür verfolgt: (i) in einer geolinguistischen Analyse soll ein Dialektkorpus systematisch auf Produktionsmuster wie die Realisierung von Endsilben-Vollvokalen oder Schwa-Apokope untersucht werden und (ii) in Wahrnehmungsstudien die Präferenzen für wortprosodische Muster bei Hörern aus den entsprechenden Dialektgebieten mittels Messung ereigniskorrelierter Potentiale (EKPs) untersucht werden. Hauptziel des ersten Teils des Projekts ist es, einen Überblick über die Kohärenz der Endsilbentypen in den Regionen des deutschen Sprachraums zu gewinnen, indem belegt wird, wo welche Vokaltypen wie einheitlich auftreten. Zudem sind die phonologischen und morphologischen Kontexte zu bestimmen, in denen Vokalreduktion stattfindet. Wortformen aus Dialektgrammatiken, Dialektatlanten und Sprachkorpora sollen hierfür mit Techniken der räumlichen Statistik analysiert werden. Im zweiten Teil des Projekts wird die Wahrnehmung unterschiedlicher Reduktionsgrade untersucht. Eine zentrale Frage ist hierbei, wie Wortformen in Abhängigkeit von der Art der phonetischen Realisierung der finalen Silbe (keine Reduktion, Reduktion zu Schwa und Apokope) in Dialektregionen mit unterschiedlichen Reduktionsformen (hochdeutsche Dialekte im Wallis, Obersächsisch, Niederdeutsch in Ostfriesland) verarbeitet und wahrgenommen werden. Hirnstrommessungen und die EKP-Analyse sollen Aufschluss darüber geben, welche kognitive Rolle Vokalreduktionen oder Vokalverluste spielen und ob sie die Wortverarbeitung begünstigen oder erschweren. Unterschiede in der synchronen Verarbeitung verschiedener Wortformen wiederum haben das Potential, Sprachwandelphänomene zu erklären und zu ergründen, welche Prozesse für die typologischen Entwicklungen unterschiedlicher prosodischer Wortformen verantwortlich sind.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen
