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Extra muros, intra muros – Zugangsregulierungen gegenüber Juden in den Reichs- und Autonomiestädten der Frühen Neuzeit zwischen Norm und Praxis
Antragsteller
Professor Dr. Stephan Laux
Fachliche Zuordnung
Frühneuzeitliche Geschichte
Öffentliches Recht
Öffentliches Recht
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 517713369
Das Teilprojekt fragt nach den Daseinsbedingungen von Jüdinnen und Juden an den Nahtstellen von Stadt und Vorstadt. Die Ausprägungen dieser Lebenswelten sind anhand rechtsnormativer Kriterien nicht adäquat zu ermessen. Das Teilprojekt unternimmt es deshalb, Annahmen über die Segration von Juden und Christen in Form genereller Stadtbetretungsverbote als Folge von Vertreibungen empirisch zu überprüfen und die Verhältnisse nach Maßgabe sozialgeschichtlicher Kategorien neu zu interpretieren. Mit der Vertreibung der Juden aus den deutschen Reichsstädten - von Straßburg 1390 bis Regensburg 1519 - wurden nach etablierter Ansicht vollendete, dauerhafte Tatsachen geschaffen: Städte waren Vorreiter der Exklusion. Jüdinnen und Juden, so glaubte man, war seitdem der Zugang zur für sie vormals offenen Stadt kategorisch verwehrt. Dieser Prozess, der zugleich in Franken, Burgau, im Elsass, in der Wetterau und anderswo "ganze Dörfer von Juden" hervorbrachte, bedeutete für das aschkenasische Judentum einen strukturbildenden Einschnitt gegenüber einer trotz aller Disruptionen über Jahrhunderte währenden urbanen Lebenserfahrung. Stadt und Judentum galten fortan als voneinander separiert. Der Prozess der "Verländlichung" vollzog sich jedoch nicht so linear, wie es diese Narrative glauben lassen, deren Formierung teils auf Voreingenommenheit, teils auf Mangel an Wissen über gegenläufige Tendenzen beruhte. Zudem lassen sich die Konsequenzen der Vertreibung nicht auf die Lebenssituation von Juden in den zahlreichen, den Reichs- und größeren Territorialstädten mehr oder minder unmittelbar vorgelagerten Orten übertragen, die heute meistens eingemeindet sind (etwa: Stadtamhof und Sallern bei Regensburg, Kriegshaber bei Augsburg, Deutz bei Köln, Huckarde bei Dortmund, Weisenau bei Mainz, Moritzberg bei Hildesheim, Kloster Neuwerk bei Halle, Heidingsfeld und Veitshöchheim bei Würzburg, Zurlauben vor Trier), sofern sie sich nicht als eigenständige Kommunen etablieren konnten (etwa Fürth bei Nürnberg, Günzburg bei Ulm, Euerbach bei Schweinfurt, Burtscheid bei Aachen). Hierüber besteht bei Weitem noch kein umfassendes Wissen. Ausgehend von den zahlreichen Belegen dafür, dass Juden der Zugang zu den Städten infolge spezifischer Zugangsberechtigungen nicht komplett verwehrt war, untersucht das Teilprojekt die Permeabilität von Stadtgrenzen. Es begegnet dem Mangel an systematisierenden und komparativen Forschungen und nimmt sich vor, differenziertere Befunde über Art und Ausmaß der Exklusion von Juden zu gewinnen. Damit stellt es fundamentale Fragen sowohl mit Blick auf Stadtgesellschaften wie natürlich auf die Betroffenen selbst. Neue Befunde sollen bestehendes, in lokalen Forschungszusammenhängen versprengtes Wissen über jüdische Stadtbetretung ergänzen und vertiefen. Im Kern geht es darum, die Handlungsspielräume von Jüdinnen und Juden an der Schnittstelle städtischer und vorstädtischer Existenz auf der Grundlage vergleichender Erhebungen auszuloten.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen
