Detailseite
Projekt Druckansicht

Aschkenasische Juden in neuen urbanen Lebenswelten des Ostens am Beispiel Großpolens (1386–1434)

Antragsteller Dr. Jörg Müller
Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Frühneuzeitliche Geschichte
Religionswissenschaft und Judaistik
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 517713369
 
Die Frage der Entstehung und Formierung der aschkenasisch-jüdischen Diaspora in Polen gehört zu den von der FOR adressierten Kernproblemen. Die polnischen Gemeinden treten um die Mitte des 16. Jhs. bereits demografisch stark und organisiert hervor; über die Herkunft ihrer Mitglieder und insgesamt über die Anfänge dieser Gemeinden ist aber noch wenig bekannt. An dieser Stelle widmet sich das TP einem seit langer Zeit erkannten Forschungsdesiderat, indem es die jüdische Migration aus dem Reichsgebiet nach Polen am Beispiel des großpolnischen Landesteils und anhand umfangreicher, bislang nicht ausgewerteter Quellen untersucht. Ziel des TPs ist es, diesen Prozess für die Zeit seit dem ausgehenden 14. Jh. mit Blick auf die daran beteiligten Akteure zu analysieren. Dabei soll auch die häufig postulierte, allerdings bislang unbewiesene Annahme, wonach die jüdische Einwanderung in Polen im Wesentlichen die Folge disruptiver Ereignisse innerhalb des Reichsgebiets während des 14. und 15. Jhs. gewesen sei, auf ihre Tragfähigkeit zu überprüft werden. Aus der urkundlichen und historiographischen Überlieferung Polens ergeben sich dafür bislang keine deutlichen Anhaltspunkte. Die Spurensuche wird dadurch erschwert, dass die in weiten Teilen des Reichsgebiets zu dieser Zeit üblichen Herkunftsnamen in Polen nur in Ausnahmefällen nachzuweisen sind. Deshalb schlägt das TP einen für diese Fragestellung noch nicht genutzten Weg ein: Für den exemplarisch ausgewählten Untersuchungsraum werden die bisher kaum beachteten, aber umfangreich erhaltenen Gerichtsbücher mit Blick auf die darin in Erscheinung tretenden jüdischen Akteure über einen Zeitraum von etwa einem halben Jh. (1386-1434) ausgewertet, um deren vielfältige Beziehungen sowie ihre Bewegungen im Raum zu rekonstruieren. Auf diese Weise sollen zeitliche Kongruenzen zwischen dem Zuzug von Juden in Posen und weiteren großpolnischen Städten und den einschneidenden "Judenschuldentilgungen" König Wenzels von 1385 und 1390, den Judenpogromen des Jahres 1389 in Prag und der Niederlausitz sowie den seit 1390 einsetzenden lokalen und territorialen Verfolgungen im Reichsgebiet sichtbar gemacht werden. Dabei knüpft das TP an das im Projekt "Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich" am Trierer AMIGJ erschlossene Quellenmaterial an. Darüber hinaus gewähren die über die jüdischen Akteure gewonnenen Daten zu Organisationsformen und Verflechtungen tiefgreifende Erkenntnisse darüber, wie die räumlich, herrschaftlich, kulturell und sprachlich neuen, gleichwohl vorwiegend städtisch geprägten Niederlassungen der zugewanderten Juden, wo diese zumeist auf bereits vor Ort ansässige aschkenasische Glaubensgenossen trafen, zu neuen Lebenswelten wurden. Damit leistet das TP einen wichtigen Beitrag zur Erforschung von über die Grenzen des Reichsgebiets hinausgehenden Migrationsbewegungen jüdischer Akteure in der für Ostmitteleuropa quellenarmen Zeit des späten 14. und des ersten Drittels des 15. Jhs.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung