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Poetische Invektiven. Legitimationsstrategien verbaler Aggression in der lateinischen Dichtung der späten Republik und der frühen Kaiserzeit
Antragsteller
Professor Dr. Dennis Pausch
Fachliche Zuordnung
Griechische und Lateinische Philologie
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 557853891
Die lateinische Dichtung enthält eine große Zahl von Angriffen auf einzelne Personen oder soziale Gruppen, mit denen diese für ein Fehlverhalten kritisiert, zugleich aber auch in der Regel verbal herabgewürdigt und bloßgestellt werden. Besonders einschlägig hierfür sind einerseits die lyrisch-epigrammatischen Texte von Catull und Martial sowie die Epoden des Horaz, andererseits die ebenfalls von Horaz sowie von Persius und Juvenal verfassten Satiren. Der verletzende und oft sozial exkludierende Charakter dieser Passsagen wird heute zunehmend als anstößig und erklärungsbedürftig empfunden, und zwar insbesondere dann, wenn sich diese Attacken gegen weniger privilegierte Mitglieder der römischen Gesellschaft (wie Frauen, Sklaven oder Migranten) und gegen Minderheiten jeder Art (z.B. mit Blick auf die sexuelle Orientierung) richten. Demgegenüber scheint sich vor allem die römische Republik durch maximale Rede- und Schmähfreiheit ausgezeichnet zu haben. Ein genauerer Blick auf die gesetzlichen und kulturellen Rahmenbedingungen sowie die von den Zeitgenossen geführten Debatten legt aber den Schluss nahe, dass die damit verbundene verbale Gewalt auch in Rom stets einen Tabubruch bildete und es daher erforderlich war, den verletzenden Charakter invektiver Texte als weniger anstößig oder als gerechtfertigt erscheinen zu lassen und dass sich zu diesem Zweck ein reiches Arsenal literarischer Techniken entwickelt hat. Während einige der einschlägigen Verfahren schon länger im Fokus der Forschung stehen, haben andere Formen bisher weniger Aufmerksamkeit gefunden, vor allem aber wurden sie nur selten gattungs- und epochenübergreifend untersucht. Genau dieser in doppelter Hinsicht vergleichende Ansatz soll daher einen wichtigen Ausgangspunkt für das hier beschriebene Projekt bilden. Tatsächlich stellt die in den einzelnen Texten vorgenommene Einschreibung in eine Gattungstradition mit invektiven Lizenzen (z.B. Satire, Jambik, Spottepigramm) bereits eine wichtige Legitimationsstrategie dar, die keinesfalls unhinterfragt übernommen werden sollte. Die bekannten Schwierigkeiten, die einschlägigen Gattungen zu definieren und in ihrer Entwicklung zu beschreiben, dürften nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass die Selbstzuordnungen hier (noch weniger als sonst) objektive Klassifizierungen sind, sondern stark intentional erfolgen. Um dieser Problematik Rechnung zu tragen, sollen die Texte hier unter dem neutraleren Oberbegriff der poetischen Invektiven zusammengefasst werden. Ein besseres Verständnis und eine genauere Beschreibung dieser einzelnen Techniken sowie ihres Zusammenspiels bilden daher das zentrale Ziel des vorgestellten Arbeitsvorhabens. Zugleich sollen aber auch die Folgen ihrer erfolgreichen Anwendung in den einschlägigen Texten für unser Bild der gesellschaftlichen Akzeptanz invektiver Dichtung in der Antike in den Blick genommen und so die verfälschende Wirkung dieser Legitimationsstrategien aufgehoben oder in gewisser Weise rückgängig gemacht werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
