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Aushandeln und Strafen im Schul- und Erziehungswesen vom Ende des 17. bis Anfang des 19. Jahrhunderts
Antragsteller
Dr. Michael Rocher
Fachliche Zuordnung
Allgemeine und Historische Erziehungswissenschaft
Frühneuzeitliche Geschichte
Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 558020716
Bis in die nahe Gegenwart hinein wird in der Forschung die Annahme verbreitet, dass im historischen Schulwesen, vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert, rigide und willkürliche Strafpraktiken seitens der Lehrkräfte alltäglich gewesen seien. Dabei wurde besonders von der älteren Forschung um 1800 ein Bruch konstatiert: Erst seit diesem Zeitpunkt hätte sich eine nachhaltige Milderung bezüglich der Strafpraktiken gegenüber Kindern und Schülern eingestellt. Auch das von Michel Foucault in Überwachen und Strafen zugespitzte Bild eines plötzlichen Wechsels der Strafpraxis vom vormodernen „Fest der Martern“ hinzu einem subtilerem System der „Unterwerfung“ und „Kontrolle“ nach 1800 trug dazu bei, diesen Zeitraum als den einer umfassenden Transformation zu verstehen. Auch wenn Foucault selbst diesen Wandel alles andere als fortschrittlich verstand, lässt sich mit seinen Thesen implizit auch jenes Modernisierungsnarrativ stützen, das mit einer engeren sogenannten „Sattelzeit“ zwischen 1770-1830 die Ablösung eines vorherigen „dunklen“ Zeitalters verbindet. In der jüngeren Forschung werden an diesem Bild verstärkte Zweifel angemeldet. Allein bezüglich des erzieherischen Strafens lassen sich Kontinutäten in den Debatten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in das späte Mittelalter zurückverfolgen. Es fehlt jedoch bis heute eine Untersuchung, die einer histroischen schulischen Strafpraxis vor 1800 auf empirische Grundlage nachspürt. Dazu müssen Strafen und die dazugehörigen Praktiken als ein sozial mehrdimensional zu betrachtendes Phänomen verstanden werden, welches sich aufgrund Vielfalt der Beteiligten (Schüler, Lehrer, Aufseher, Leitung, Pfarrer, Schulaufsicht, Eltern) nicht auf eine Macht-Gegenmacht Dichotomie verengen lässt. Strafe war stets eingebettet in einen vielschichtigen kommunikativen Prozess, in welchem diese stets legitimiert und begründet werden mussten. Um dies dementsprechend multiperspektivisch zu erfassen, wird schulisches Strafen auf drei institutionellen Ebenen in unterschiedlichen geografischen Räumen über einen längeren Zeitraum untersucht. Die drei institutionellen Ebenen sind das höhere Schulwesen, das niedere Schulwesen und das hier unter dem Oberbegriff gefasste Erziehungswesen zu dem sowohl Waisenhäuser, als auch Zuchthäuser sowie erste Anstalten für verwahrloste Jugendliche gefasst sind. Als geografische Räume werden Einrichtungen in Berlin und der Kurmark, Wien und Niederösterreich, dem Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel sowie punktuelle Beispiele aus dem Herzogtum Sachsen-Weimar im Projekt untersucht. Dieser breite Zugang erlaubt es, Strafen gegenüber Minderjährigen differenziert nach sozialen Stand, Alter, Geschlecht sowie Konfession zu betrachten. Um das oben aufgezeigte Postulat der Transformation um 1800 kritisch zu hinterfragen, wird ein längerer Untersuchungszeitraum gewählt, die inklusive der sognannten Sattelzeit von 1770 bis 1830 einen ihr vorgelagerten Zeitraum zurück bis an das Ende des 17. Jahrhunderts umfasst.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Frankreich
Kooperationspartner
Professor Dr. Falk Bretschneider
