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Zeit und Verfassung – Konstitutionelle Reaktionen auf den Zeitregimewechsel
Antragsteller
Professor Dr. Daniel Wolff
Fachliche Zuordnung
Öffentliches Recht
Förderung
Förderung seit 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 558486849
Ausgangspunkt ist der in den Geistes- und Sozialwissenschaften diagnostizierte Wechsel des Zeitregimes der Moderne zu demjenigen der Postmoderne. Im Zeitregime der Moderne war die Zukunft der primär orientierende Zeithorizont, der als offener Handlungsraum gedacht wurde. Demgegenüber hatte die Vergangenheit aufgrund des Auseinandertretens von Erfahrungsraum und Erfahrungshorizont ihre Orientierungsfunktion verloren. Im seit den 1970er Jahren etablierten Zeitregime der Postmoderne hat sich die Zukunft zu einem Gegenstand der Sorge und damit zugleich auch der Vorsorge in der Gegenwart gewandelt. Gleichzeitig ist die Vergangenheit in der Gegenwart omnipräsent, wovon neue Leitkategorien wie „kollektives Gedächtnis“ und „kollektive Identität“ Zeugnis ablegen. Die Studie untersucht, welche Auswirkungen der Zeitregimewechsel für politisches Handeln zeitigt. Die Antwort auf diese Frage wird mithilfe der Kategorie der Zeitpolitik gegeben, definiert als Sachpolitiken übergreifende Reaktion staatlicher Politik auf die Veränderungen des Zeitregimes. Sie gliedert sich in Geschichtspolitik und Zukunftspolitik. Zukunftspolitik meint die Erweiterung der vor allem auf die Gegenwart verpflichteten Politik um die Dimension der Zukunft. Sie wird nötig angesichts des Potentials der Gegenwart, künftige Handlungsoptionen zu beschränken. Ihr Ziel ist es, den Möglichkeitshorizont der Zukunft offenzuhalten (Zukunftssicherung). Der Begriff der Geschichtspolitik wird als Leitkategorie zur Thematisierung der Geschichte als Element politischen Handelns gewählt. Sie gliedert sich in drei Felder: Vergangenheitspolitik, Erinnerungspolitik und Geschichte als Argument. Letzteres Feld steht im Fokus der Studie. Es wird betreten, wenn Geschichte affirmativ oder abgrenzend in einen Argumentationszusammenhang eingebunden wird. Die Studie analysiert die beschriebenen Teilelemente von Zeitpolitik aus verfassungsrechtswissenschaftlicher Perspektive, die neben dogmatischen auch historische, vergleichende sowie verfassungskulturelle und -theoretische Analysemethoden integriert. Im zukunftspolitischen Teil wird argumentiert, dass angesichts eines strukturellen Defizits an Zukunftspolitik „Zukunftssicherung durch Verfassungsrecht“ notwendig wird. Deshalb wird als konkretes Untersuchungsziel die Erarbeitung einer allgemeinen Verfassungsdogmatik der Zukunftssicherung ausgegeben und die These formuliert, dass die Offenhaltung der Zukunft auch Sache von Verfassungsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit sind. Der geschichtspolitische Teil geht drei Forschungsfragen nach: (1) Welche Rolle kommt dem Verfassungsrecht im Ursachenzusammenhang von Zeitregimewechsel, Gedächtnisparadigma, Identitätsdiskurs und Geschichtspolitik zu? (2) Wie haben Lehren aus der Geschichte Eingang in die deutsche und die israelische Verfassungsrechtsordnung gefunden? Angesichts der gegensätzlichen Gemeinsamkeit des Holocaust-Gedächtnisses liegt dabei ein Fokus auf Lehren aus dem Holocaust. (3) Wie ist „Geschichte als [...]
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen