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Momente der Weltzerstörung. Eine Studie zu Elementen totaler Herrschaft in Putins Russland
Antragstellerin
Dr. Evelyn Moser
Fachliche Zuordnung
Politikwissenschaft
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 558683763
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine seit Februar 2022 hat die öffentliche und akademische Debatte um das Wesen des russischen Herrschaftsregimes erneut entfacht. Geführt wird sie angesichts der angesichts der Brutalität des Regimes nach außen und der repressiven Verschärfungen nach innen mit drastischen Begriffen wie Faschismus, Diktatur, Tyrannis oder Totalitarismus, häufig mit Referenzen auf das Werk Hannah Arendts. Obgleich der arendtsche Totalitarismusbegriff naheliegt und Aufschluss verspricht, sind die entsprechenden Verweise oft unpräzise. An diesem Desiderat setzt das geplante Forschungsprojekt an. Es will totalitäre Momente und Kipppunkte in der politischen Ordnung Russlands seit Beginn der Herrschaft Putins ergründen, durch die Weichen gestellt, Rahmen gezogen werden und Möglichkeitshorizonte verschoben wurden. Dazu greift es die Denkweise Arendts in Bezug auf totalitäre Herrschaft auf und folgt methodologisch Arendts fragmentarischem Ansatz. Ohne a priori zu unterstellen, dass in Russland unter Putin totale Herrschaft in vollkommener Form ausgeprägt ist, sollen jene Elemente rekonstruiert werden, über die sich die gegenwärtige Regimestruktur Russlands formt. Totalitäre Momente und Kipppunkte, die sich auf diese Weise beobachten und auf mögliche Kristallisationen befragen lassen, verweisen dabei stets auch auf andere Möglichkeiten und deuten gegebenenfalls Übergänge zu demokratischen Ordnungen an. Das übergreifende Projektziel konkretisiert sich über vier Teilziele, die sich unmittelbar aus vier Schlüsselbegriffen des arendtschen Totalitarismuskonzepts ableiten: (i) Mögliche Übergänge von freiheitsbeschränkender Autorität und tyrannischer Friedhofsruhe hin zu totalitärer Bewegung untersucht das Projekt mit Blick auf die Dynamik des gesetzlichen Rahmens politischen Handelns, im Fokus stehen dabei die sogenannten Extremismus-, Agenten-, LGBTQ- und Fake News-Gesetze. (ii) Die historischen Bezüge politischer Herrschaft werden auf potentielle Kipp-punkte zwischen Politisierung und Ideologisierung der Geschichte analysiert. (iii) Anschließend an Arendts Überlegungen zu Terror als totalitärem Wesensmerkmal fragt das Projekt nach Hinweisen auf die juristische und moralische Zerstörung der Person, die Arendt als Vorstufen der Entmenschlichung begreift. (iv) Momente der Verlassenheit werden am Beispiel der Figuren des „Patrioten“ und des „ausländischen Agenten“ ausgelotet. Mit der kategorialen und methodologischen Adaption des arendtschen Ansatzes möchte das Projekt einen Beitrag zu einem vertieften Verständnis der russischen Herrschaftsordnung leisten, der bisher weniger Beachtetes betont und die reichhaltigen empirischen Wissensbestände systematisch zu integriert. Zugleich versteht sich das Projekt als ein Versuch, das Potential von Arendts Totalitarismusverständnis für gegenwärtige Herrschaftsordnungen auszuloten und Arendts analytische Kategorien durch den konkreten Gegenstandsbezug empirisch zu schärfen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
