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Gustav Hugo (1764-1844) und die skeptische Rechtstheorie. „Heutiges Römisches Recht“ in der Spätaufklärung
Antragsteller
Privatdozent Dr. Christoph Sorge
Fachliche Zuordnung
Grundlagen des Rechts und der Rechtswissenschaft
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 559060300
Die Studie untersucht den Gesamtentwurf des Göttinger Rechtsgelehrten Gustav Hugo (1764-1844). Ausgangspunkt ist die erkenntnisleitende These, dass ein Schlüssel für Hugos Werk im gemäßigten Skeptizismus zu finden ist, eine seit der Antike gepflegte Geisteshaltung, die während der Göttinger Spätaufklärung eine zwar nur kurzzeitige, doch wirkungsmächtige Renaissance erfuhr. Bereits als junger Gelehrter entwickelte Hugo mit drei heuristischen Fragen ein Reformprogramm, das bis heute die Rechtswissenschaft arbeitsteilig strukturiert und zu jeweils eigenständigen Lehr- und Forschungszielen führt. So fragte er mit „Was ist Rechtens?“ nach der Rechtsdogmatik, mit „Ist es vernünftig, daß es Rechtens sey?“ nach der Rechtsphilosophie und mit „Wie ist es Rechtens geworden?“ nach der Rechtsgeschichte. Bei der Ausarbeitung dieser drei Seiten bediente sich Hugo nicht nur der Überlieferung antik-römischer Rechtsquellen, sondern er reicherte den Stoff vielmehr mit skeptizistischen Ideen und Modellen der Neuzeit an. So finden sich in seinen Werken verschiedenste Bezüge zu humanistischen Rechtsgelehrten wie Jacques Cujas (1522-1590), zu britischen Aufklärern wie Edward Gibbon (1737-1794) und David Hume (1711-1776) sowie zu Göttinger Gelehrten wie etwa Ludwig Timotheus Spittler (1752–1810). Damit reformierte Hugo die ursprünglich auf Gottfried Wilhelm Leibniz zurückgehende Einteilung, setzte mit der Skepsis andere Akzente und entwickelte etwa ein probabilistisches, auf Geschichte, Erfahrung und Beobachtung beruhendes Lehrbuch zum Naturrecht „als einer Philosophie des positiven Rechts“. Für Hugos Bearbeitung und Rezeption römischer Rechtsquellen waren wiederum die in der Methode ebenfalls vom Skeptizismus stark geprägten humanistischen Juristen des mos gallicus und bestimmte Strömungen in der zeitgenössischen Philologie von großer Bedeutung. Einen damit eng zusammenhängenden Bildungsbegriff erwarb sich der junge Hugo bereits im Dessau-Wörlitzer Kulturkreis, in den der als Prinzenerzieher unter Leopold III. eingeführt und aufgenommen wurde. Ein besonderes Augenmerk legt die Studie auch auf Hugos Auffassung zur Rechtsdogmatik, also auf die Behandlung des „heutigen römischen Rechts“, dessen Konzeption prima facie in einen Widerspruch mit dem Skeptizismus gerät. Gegen die überwiegende Ansicht in der Hugo-Forschung kann indes gezeigt werden, dass Hugo zur Begründung seiner auf temporären „Rechtswahrheiten“ beruhenden Dogmatik selektiv auf römische Juristen verweist, die nach der These des Romanisten Okko Behrends im Einflussbereich der moderaten Skepsis der Jüngeren Akademie standen und ein entsprechendes institutionelles Rechtsdenken pflegten. Um diese geistesgeschichtlichen Traditionen, die in Hugos Werk eine ganz eigene Art der Querelle des Anciens et des Modernes in Gang setzten, mit seinem Lebensweg in Verbindung zu bringen, wertet die Studie eingehend auch den von Hugo in Bezug genommenen politischen und sozialen Kontext aus. So werden Ereignisse im regionalen Nahbereich, z.B. die in der Provinz eingeführte Kopfsteuer oder die politische Fraktion der „sceptical Hannoveranian Whigs“ (Osterhammel) erläutert, aber auch Großereignisse wie die Französische Revolution beleuchtet, um die daran anschließenden Debatte über die ‚wahre‘ und die ‚falsche‘ Aufklärung zu erörtern, welche von Hugo genauestens beobachtet und einer Kritik unterzogen wurde.
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen
