Dynamisches Bruchverhalten von Glas - Experimentelle Bestimmung der ballistischen Kennwerte
Final Report Abstract
Die Dimensionierung von Sicherheitsglas für Gebäude und Fahrzeuge beruht im Wesentlichen auf empirischen Daten, welche durch systematische Variation von Parametern gewonnen werden. Aufgrund der hohen Anzahl der zu berücksichtigenden Parameter sind die Parameterstudien aufwendig und kostenintensiv. Wirtschaftlicher wäre eine numerische Simulation des Bruchverhaltens von Glas. Dazu wird ein mathematisches Modell benötigt, welches das Versagen bei dynamischen Belastungen zuverlässig beschreibt. Die bisher existierenden Impaktbelastungsmodelle beruhen auf konventionellen Werkstoffkennwerten, stimmen häufig im Ergebnis nicht miteinander überein, und korrelieren zudem nur sehr schlecht mit dem tatsächlichen dynamischen Bruchversagen von Glas. Das Ziel dieses Forschungsvorhabens war die wissenschaftliche Untersuchung des dynamischen Bruchversagens bei Impaktbelastungen unter Berücksichtigung der mikrostrukturellen Zusammenhänge und die Bereitstellung experimentell bestimmter Kennwerte als Grundlage für ein mesomechanisches numerisches Modell, welches das dynamische Bruchversagen von Glas zuverlässiger beschreiben soll. Es wurden Impaktversuche an Glasproben verschiedener Größe durchgeführt, um Rückschlüsse aus dem fraktografischen Erscheinungsbild auf das bruchmechanische Versagen von Glas ziehen zu können. Beim Eindringen eines Projektils in einen Glaskörper entsteht vor der Projektilspitze eine hohe dreiachsige Druckbelastung, welche das Glas an der Projektilspitze pulverisiert. Der pulverisierte Bereich (Tunnelbereich) grenzte sich optisch, bei mit Epoxidharz stabilisierten, sektionierten und polierten Glasproben, durch seine weiße Färbung von dem sonst eher transparenten Glas ab. Die Tunnel bestanden aus Kolonien größerer Fragmentstücke (ca. 100 - 500 μm) und kleineren, pulverartigen Partikeln (ca. 0,1 - 100 μm). Während des Impaktvorgangs bewegten sich die Fragment-Kolonien mit dem sie umgebenen Glaspulver in überwiegend axialer Richtung ohne eine nennenswerte Durchmischung. Die größten Relativbewegungen, und somit auch die größten Energiedissipationen durch Reibung, traten an den Rändern des Tunnels auf. Innerhalb des Tunnels war die mit einem Partikelanalysegerät gemessene Variation der Partikelgröße gering, aber dennoch statistisch signifikant. An den Projektilen haftete nach den Impaktversuchen etwas Glaspulver. Auf der Oberfläche dieses Glaspulvers konnten, durch eine Analyse mit einem Rasterelektronenmikroskop, Spuren vom Metall des Projektils in Form von geschmolzenen und wieder erstarrten Tröpfchen nachgewiesen werden. Die Projektiloberflächen wiesen tiefe, parallel verlaufende Riefen in axialer Richtung auf. Dies zeigt, dass die Projektile thermisch, chemisch und mechanisch erodiert wurden. Zur experimentellen Untersuchung des Glaspulvereinflusses auf das Bruchgeschehen, speziell zur Bewegungsanalyse des Glaspulvers und des Reibungsprozesses des Projektil-Glaspulver-Systems, wurde eine Prüfvorrichtung entwickelt. Mit dieser Prüfvorrichtung, welche in eine bestehende Zug/Druck-Torsions-Prüfmaschine integriert wurde, lassen sich kombinierte Druck- und Scherkräfte erzeugen. Bei den mit industriell hergestelltem Glas- und Glaskeramikpulver verschiedener Partikelgröße durchgeführten Versuchen wurde das Pulver einer über dem Versuchszeitraum konstanten Druckspannung ausgesetzt, während sich ein Teil der Prüfvorrichtung mit konstanter Geschwindigkeit bewegt hat. Es zeigten sich in den gemessenen Drehmoment-Weg-Diagrammen und den daraus berechneten Scherspannungs-Scherdehnungs-Diagrammen für verschiedene (Kompressions-) Drücke zunächst ansteigende und anschließend konstante oder leicht abfallende Kurvenverläufe, wobei die Scherspannung mit dem Kompressionsdruck anstieg. Das Glaskeramikpulver erreichte im Vergleich zum Glaspulver etwa 20 bis 30 Prozent höhere Scherspannungen bei gleicher Dehnung. Die Schergeschwindigkeit hatte bei der Versuchsdurchführung im quasi-statischen Bereich nur geringfügige Auswirkungen auf das Ergebnis. Die Partikelgröße des Glas- und Glaskeramikpulvers wirkte sich stark auf den Reibungskoeffizienten aus, welcher sich mit zunehmendem Druck erhöhte. Die Verteilung der Glaspulverpartikelgröße wurde jeweils vor und nach einem Versuch mit einem Partikelanalysegerät bestimmt. Statistisch signifikante Unterschiede konnten erst bei einem Druck von 1,37 GPa festgestellt werden. Bei diesem Druck wurden auch größere Partikel fraktografisch zerteilt. Die Bewegungsanalysen des Glaspulvers zeigten, dass die Anzahl der Gleitebenen innerhalb des Pulvers mit zunehmendem Druck abnahm. Bei einem Druck von 1,37 GPa konnten die Gleitebenen innerhalb des Glaspulvers nicht mehr nachgewiesen werden. Relativbewegungen fanden daher im mikroskopisch messbaren Bereich nur noch am Interface Metall/Glaspulver statt, so wie es auch bei den Impaktversuchen beobachtet werden konnte. Durch die Relativbewegung wurden Metallpartikel der Prüfvorrichtung vom Glaspulver abgetragen, welche eine Verbindung mit dem Glaspulver eingingen. Das industriell hergestellte Glas- und Glaskeramikpulver verhielt sich bei den Untersuchungen zum Bewegungs- und Reibungsverhalten unter hohem Druck ähnlich wie das Glaspulver im Tunnel bei den Impaktversuchen. Die Ergebnisse zum Reibungsverhalten lassen sich daher zusammen mit den Ergebnissen der Impaktversuche für ein mesomechanisches Modell venwenden, welches das dynamische Bruchversagen von Glas zuverlässiger beschreiben soll. SRI International entwickelt zurzeit ein solches Modell und führt die begonnenen Untersuchungen weiter.
Publications
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„Mesomechanical Constitute Relaflons for Glass and Ceramic Armor", in: „Advances in Ceramic Armor IV", The American Ceramic Society, John Wiley & Sons, New Jersey, USA, 2008
Dirk Bergmannshoff
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„Mesomechanical Constitute Relations for Glass and Ceramic Armor", „32nd International Conference on Advanced Ceramics and Composites", 27. Jan. - 1 . Feb. 2008, Daytona Beach, Florida, USA
Dirk Bergmannshoff
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„Physics of Glass Failure during Rod Penetration", in: „Advances in Ceramic Armor IV", The American Ceramic Society, John Wiley & Sons, New Jersey, USA, 2008
Dirk Bergmannshoff
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„Physics of Glass Failure during Rod Penetration", „32nd International Conference on Advanced Ceramics and Composites", 27. Jan. - 1 . Feb. 2008, Daytona Beach, Florida, USA
Dirk Bergmannshoff
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„Mesomechanical Material Properties Governing Penetration of Glass Armor", in: „Advances in Ceramic Armor V", The American Ceramic Society, John Wiley & Sons, New Jersey, USA. 2009
Dirk Bergmannshoff
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„Mesomechanical Material Properties Governing Penetration of Glass Armor", „33rd International Conference on Advanced Ceramics and Composites", 18. - 23. Jan. 2009, Daytona Beach, Florida, USA
Dirk Bergmannshoff
