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Verbraucher und Konsum(kontroll)technologie - Nutzereinstellungen, -Wissen und Technikaneignung

Subject Area Social and Cultural Anthropology and Ethnology
Term from 2007 to 2011
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 56071197
 
Final Report Year 2011

Final Report Abstract

Ausgehend von der Annahme, dass die weit verbreiteten, zumeist als „Kunden- oder Bonuskarten“ bezeichneten Kundenbindungssysteme, der Überwachung und Kontrolle von Konsumenten dienen, stand in diesem Forschungsprojekt der Umgang mit den Karten selbst im Mittelpunkt. Kritik an diesen als Kontrolltechnologien zu bezeichnenden Artefakten wurde und wird zumeist von Daten- und Konsumentenschützern geäußert, die dabei verschiedene Dimensionen von Technik unberücksichtigt lassen und sich allein auf eher ökonomistische Kosten-Nutzen bzw. rechtliche Argumente konzentrieren. Ziel des Projektes war daher die Technik (Kundenkarten) sowie den sie bestimmenden Kontext (Einkaufen/Shopping) zu untersuchen, um die Sichtweise und Argumente der Konsumenten nachvollziehbar zu machen, die letztendlich mit dieser Technik umgehen, diese neu interpretieren oder verwerfen. Theoretisch wurde davon ausgegangen, dass es sich dabei um eine in Alltagspraxen integrierte Technik handelt, die deshalb im Rahmen zumeist unreflektierter Handlungen angewendet wird. Ziel der multi-methodischen Studie - Ethnographie von Einkaufsorten, qualitative Interviews, (Diskurs-)Analyse von Werbung - war es, die tieferen Sinnzusammenhängen dieser Handlungen und Erzählungen zu rekonstruieren. Die wichtigsten Ergebnisse der qualitativen Studie dabei waren: - Kundenkarten sind eine ambivalente Technik, die fest als Teil der Alltagspraktik Einkaufen angesehen werden kann. - Der soziale und kulturelle Kontext von Kundenkarten ist vielseitig und bisher wenig beachtet worden. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema beschränkt sich bislang entweder auf Marketing-Aspekte oder den Daten- und Verbraucherschutz. - Einkaufen, Rabatte und damit verbundene kulturelle Praktiken sind ein wichtiger Aspekt der Erforschung des Nutzens, der Gefahren oder des Potentials von Kundenkarten - Aspekte, die selten Eingang in ihre Kritik finden. - Begründungen der Konsumenten für oder wider den Besitz von Kundenkarten haben in der Regel wenig mit den Bedenken der Daten- und Verbraucherschützer zu tun - weshalb eine Kommunikation, die auf die Sicherheit oder Effektivität der Kundenkarten setzt, ihr Ziel verfehlt. - Die Einbettung in die Alltagspraxis „Einkaufen“ macht es fast unmöglich, dass Warnungen und Kritik von Daten- und Verbraucherschützern bei den Konsumenten ankommt - obwohl auf einer anderen Ebene ein dafür sensibles Bewusstsein sehr wohl vorhanden ist. - Kundenkarten sind als Vehikel der Forschung nützlich, um über sie andere Phänomene wie Vertrauen, Loyalität, soziale Beziehungen, Alltagserzählungen und die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Diskurse - z.B. Gender, Alter, Armut/Reichtum, Umweltbewusstsein - zu erörtern. - Hinsichtlich des Themas Überwachung hat sich am Beispiel der Kundenkarten gezeigt, dass es sinnvoll ist zum einen den Begriff genauer zu fassen, damit er analytisch scharf genug bleibt: im vorliegenden Fall wäre dann viel eher von einem Monitoring oder Profiling zu sprechen, welches Teilaspekte des übergeordneten Diskurses Überwachung darstellen; zum anderen hat sich herauskristallisiert, dass Überwachung nicht nur einfach „ist“, sondern getan werden muss, also sich entweder in Praktiken ausdrückt, oder an andere Praktiken anschließen lässt. Im Fall der Kundenkarten sind dieses alltägliche Einkaufspraxen, hinter denen die ursächlichen Ziele der Kundenkarten - das Sammeln von Konsumenten-Daten - verdeckt werden bzw. einfach nicht in den Hintergrund treten. - Aufbauend auf dem gewählten Beispiel lässt sich ein allgemeiner analytischer Ansatz formulieren, der Überwachung als soziale Praxis begreift und der nach den Tätigkeiten, den (alltags-)praktischen und kulturellen Bedingungen für Phänomene fragt, die weit gefasst als Teil von Überwachungsund Kontrollstrategien bezeichnet werden können.

Publications

  • Society for the Social Studies of Science (4S), Vancouver, 1-5. Nov. 2006
    Zurawski; Nils
  • ISA Forum, Barcelona, 5-8. Sept. 2008
    Zurawski; Nils
  • Kultur-Technik-Überwachung, Tagung am Institut für Volkskunde, Uni Hamburg, 9/10. Okt. 2009
    Zurawski; Nils
  • Prosumer revisited. Zur Aktualität der Prosumer Debatte, 26/27. März 2009, Universität Frankfurt
    Zurawski; Nils
  • (2010): Loyalty Cards, Shopping Practices, Consumer Surveillance and issues of Data Protection
    Zurawski; Nils
  • Institut für Technikgeschichte der TU München, 13. Jan. 2010
    Zurawski; Nils
  • ISA World Congress, Göteborg, 11-17. Juli 2010
    Zurawski; Nils
  • Surveillance Studies Network /LiSS conference, London 9-13. April 2010
    Zurawski; Nils
  • (2011) „Überwachungspraxen – Praktiken der Überwachung. Analysen zum Verhältnis von Alltag, Technik und Kontrolle. Opladen, 2011 (Budrich UniPress)
    Zurawski, Nils
  • (2011): "Budni ist doch Ehrensache". Kundenkarten als Kontrollinstrument und die Alltäglichkeit des Einkaufens, in Zurawski, Nils (Hg.), „Überwachungspraxen – Praktiken der Überwachung. Analysen zum Verhältnis von Alltag, Technik und Kontrolle. Opladen, 2011 (Budrich UniPress)
    Zurawski; Nils
 
 

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