Detailseite
Projekt Druckansicht

Ein neues Zuhause für die Geflüchteten: Aushandlungsprozesse über Wohneigentum, Wohlfahrtsstaatlichkeit und Staatsbürgerschaft in der ukrainischen Wohnungskrise

Antragstellerin Dr. Sophie Schmäing
Fachliche Zuordnung Soziologische Theorie
Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 561280629
 
Dieses Projekt widmet sich gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen über Wohneigentum am Beispiel kollektiver und individueller Reaktionen auf die durch den russischen Angriffskrieg ausgelöste Wohnungskrise in der Ukraine. Es geht von der Prämisse aus, dass die kriegsbedingte Zerstörung und De-facto-Enteignung von Wohnungsbeständen das postsozialistische ukrainische Wohnungsregime, das durch ein Spannungsverhältnis zwischen dem Rückzug des Staates aus der Wohnungspolitik und persistenten gesellschaftlichen Erwartungen an staatlich gefördertes Wohneigentum gekennzeichnet war, nachhaltig gestört hat. Die soziale Dringlichkeit der Wohnungsfrage, insbesondere für (Binnen-)Geflüchtete, erfordert somit eine Neuverhandlung etablierter Auffassungen von Wohlfahrtsstaatlichkeit und Staatsbürgerschaft. Indem es Wohnungsregime als Wechselverhältnis von sozialen Strukturen und gesellschaftlicher Sinnstiftung auffasst, entwickelt das Projekt eine konstruktivistische Perspektive auf Wohlfahrtsstaatlichkeit und die mit Wohneigentum verbundenen Normen und Praktiken von Staatsbürgerschaft. Es analysiert Aushandlungsprozesse über die Kompensation von Eigentumsverlusten und die Schaffung von neuem Wohnraum mit interpretativer qualitativer Methodik und setzt dabei drei komplementäre Schwerpunkte:Erstens nimmt es die politisch-ideologischen Grundlagen der staatlichen Wohnungspolitik und des darauf bezogenen öffentlichen Diskurses in den Blick. Es fragt danach, wie Verständnisse von sozialer und aktiver Bürgerschaft sich auf die Zuweisung von wohnungspolitischer Verantwortung an den Staat, die Hauseigentümer:innen oder andere Akteure auswirken. Zweitens umfasst es drei Fallstudien zu Wohnprojekten für Binnengeflüchtete in Dnipro, Iwano-Frankiwsk und Winnyzja, die von zivilgesellschaftlichen Akteuren oder den Binnengeflüchteten selbst initiiert wurden. Diese Versuche, Alternativen zu Wohneigentum zu schaffen, werden auf ihr Potenzial zur Transformation öffentlicher Daseinsvorsorge von unten befragt. Drittens untersucht es die Perzeption der ukrainischen Wohnungspolitik durch ukrainische Geflüchtete in Deutschland. Der Fokus liegt darauf, wie ihre Erfahrungen mit dem von Mietwohnungen dominierten deutschen Wohnungsmarkt ihr Verständnis von Wohneigentum und staatsbürgerlicher Zugehörigkeit beeinflussen.Die Studie verspricht neue Einblicke in die politisch-ideologischen Grundlagen postsowjetischer Wohnungsregime und trägt darüber hinaus zu einem differenzierten Verständnis der konstitutiven Rolle von Wohneigentum in modernen Gesellschaften bei. Indem sie die aktive Beteiligung ukrainischer (Binnen-)Geflüchteter an Neuverhandlungen über das Wohnungsregime hervorhebt, leistet sie einen Beitrag zur Migrationsforschung. Schließlich verspricht sie Erkenntnisse über die staatlichen, kommunalen und zivilgesellschaftlichen Lösungsansätze für ein drängendes soziales Problem, das den künftigen gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Ukraine maßgeblich beeinflussen wird.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung