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Kirchengenese und Siedlungsentwicklung in Rottenburg-Sülchen, Kr. Tübingen. Ein Modelfall für die Ausbildung von Zentralorten in der Gründungszeit des Bistums Konstanz
Antragsteller
Professor Dr. Steffen Patzold; Dr. Jonathan Scheschkewitz; Privatdozent Dr. Lukas Werther
Fachliche Zuordnung
Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Mittelalterliche Geschichte
Mittelalterliche Geschichte
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 562933444
Die Kirchengenese und Einbindung früher Kirchengründungen der Merowinger- und Karolingerzeit in Siedlungsstruktur und Gesellschaft wird für Südwestdeutschland kontrovers diskutiert. Da aussagekräftige Befunde bisher fehlten, hielt die deutschsprachige archäologische Forschung weitgehend an dem traditionellen Eigenkirchenmodell fest und damit auch an der Vorstellung von einer an lokale adlige Grundherren gebundenen Christianisierung. Die Ausgrabungen in Rottenburg-Sülchen (Kr. Tübingen) geben erstmals Gelegenheit zentrale Fragen zur Genese von Kirchenstandorten, den dazugehörigen Siedlungen und den Akteuren im Dialog mit den Geschichtswissenschaften zu klären: (1) Wann entstehen die ersten Kirchen in Alamannien und welche Herrschaftsstrukturen spiegeln sich darin? (2) Sind Kirchen Ergebnis oder Ausgangspunkte zentralörtlicher Entwicklungen? (3) Was sah die lokale Bevölkerung in einem solchen Bauwerk, wie und von wem wurde es genutzt? (4) Ab wann handelt es sich um Kirchen und welches Maß an Christianisierung und kirchlicher Organisation lässt sich aus den Befunden ableiten? Ausgangspunkt des Vorhabens ist die hervorragende lokale Befundsituation in Sülchen aus Gräberfeld (6./7. Jh.), darüber liegender Kirche mit Friedhof (7. bis 9./10. Jh.) und einem archäologisch großflächig dokumentierten, geschlossenen Siedlungsareal (ab dem 5. Jh.). Innerhalb der Merowinger- und Karolingerzeit sollen die bauliche Gestalt und das räumliche Gefüge des Kirchenstandorts sowie die Faktoren, die zur Ausbildung des Settings aus Kirche und Friedhof führten, rekonstruiert werden. Daneben gilt es, die zugehörige Siedlung in ihrer räumlichen, zeitlichen und funktionalen Entwicklung zu analysieren und zentralörtliche Elemente zu identifizieren. Für Kirche, Bestattungsplatz und Siedlung stellt sich die Frage nach Präsenz, Lokalisierung und Charakterisierung örtlicher Eliten. Indem wir die chronologischen Verhältnisse von Gräberfeld, Kirche und Siedlung genau herausarbeiten, ein Bild der lokalen Gesellschaft entwerfen und den Gesamtkomplex in seinen regionalen und überregionalen Bezugsrahmen stellen, werden die sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Bedingungen und Mechanismen der Kirchengenese greifbar. Abschließend werden die lokalen Ergebnisse in Sülchen mit Konzepten und Ergebnissen anderer Landschaften im Frankenreich verglichen, die einen besseren Forschungsstand aufweisen, um übertragbare Modelle zur Ausbildung von Zentralorten der Merowinger- und Karolingerzeit in Südwestdeutschland zu entwickeln. Sülchen dient dabei gleichzeitig als Pilotprojekt zur Weiterentwicklung innovativer Open-Source-Werkzeuge zur Modellierung, Vernetzung, Auswertung und Inwertsetzung der komplexen Daten aller beteiligter Fächer auf Basis der FAIRPrinzipien.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Mitverantwortlich(e)
Dr. Gabriele Graenert
