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Form-induzierte Gedächtniseffekte auf Zellmigration
Antragsteller
Dr. Winfried Schmidt
Fachliche Zuordnung
Statistische Physik, Nichtlineare Dynamik, Komplexe Systeme, Weiche und fluide Materie, Biologische Physik
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 563225569
Zellmigration ist für eine Vielzahl physiologischer und pathologischer Prozesse wie das Immunsystem, Gewebeerneuerung, Wundheilung und die Krebsmigration von wesentlicher Bedeutung. Die Trajektorien von Zellen, welche sich aus der Integration der komplexen räumlich-zeitlichen Dynamik des Zytoskeletts ergeben, enthalten nachweislich sowohl deterministische als auch stochastische Komponenten. Die theoretische Beschreibung solcher aktiv getriebenen, stochastischen Prozesse stützt sich traditionell auf die Markov-Annahme, die besagt, dass deren zukünftige Entwicklung unabhängig von deren Vorgeschichte ist. Jüngste Erkenntnisse deuten jedoch darauf hin, dass Gedächtniseffekte bei der Zellmigration die Trajektorien tiefgreifend beeinflussen können. In komplexen Umgebungen unterliegen Zellen aufgrund geometrischer Begrenzungen oft erheblichen Verformungen, doch der Einfluss solcher Formveränderungen auf den Langzeitverlauf der Trajektorien ist bislang weitgehend unerforscht. Das geplante Projekt zielt darauf ab, die Auswirkungen von forminduzierten Gedächtniseffekten auf die Zellbewegung über längere Zeiträume hinweg zu quantifizieren. Zu diesem Zweck wird ein numerisches Modell entwickelt, das die elastische Reaktion des Zytoskeletts auf Verformungen berücksichtigt, welche von der extrazellulären Geometrie hervorgerufen werden. Auf der Grundlage eines neu identifizierten „Fluchtreflexes “, der durch eine verstärkte Aktivität des Zytoskeletts ausgelöst wird, sobald die zelluläre Kompression die Größe des Zellkerns übersteigt, berücksichtigt das Modell auch eine vorübergehend erhöhte Migrationsgeschwindigkeit ab einer kritischen Deformation. Numerische Simulationen werden mit analytischen Betrachtungen kombiniert, wobei sowohl verallgemeinerte Langevin-Gleichungen als auch ein strukturierter Ansatz für die stochastische Zeitentwicklung von Zellzustandsvariablen verwendet werden. Die Fähigkeit der Zelle, ihre Umgebung zu erkunden, wird für aufeinanderfolgende, isolierte Zell-Geometrie-Interaktionen anhand von Kennzahlen wie der mittleren quadratischen Verschiebung, der Persistenzzeit und der Autokorrelationsfunktionen der Geschwindigkeit untersucht. Diese Größen werden direkte Vergleiche zwischen Simulationen, analytischen Berechnungen und verfügbaren experimentellen Daten zu Zelltrajektorien ermöglichen. Darüber hinaus wird das numerische Modell die Untersuchung von Gedächtniseffekten bei der Zellmigration für komplexe Geometrien erlauben, wie z. B. Anordnungen kreisförmiger Säulen und stark komprimierende Umgebungen, einschließlich „bottle neck“-Passagen, wie sie in Experimenten mit migrierenden Zellen verwendet werden. Diese Erkenntnisse werden Einblicke in forminduzierte Gedächtniseffekte bei der Zellmigration bieten, sind aber auch für die Anwendung auf andere Systeme mit vergleichbarer nicht-markovscher Dynamik relevant.
DFG-Verfahren
WBP Stipendium
Internationaler Bezug
Frankreich
Gastgeber
Professor Dr. Raphael Voituriez
