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Haikai als 'missing link'? Veränderungen in der Manuskriptpraxis japanischer Gemeinschaftsdichtung in Zeiten des Wandels

Antragstellerin Dr. Heidi Buck-Albulet
Fachliche Zuordnung Asienbezogene Wissenschaften
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 563308066
 
Dieses Projekt erforscht Handschriften aus dem Bereich der japanischen Renga-Dichtung, einer poetischen Form, die von mehreren Personen gemeinsam verfasst wird. Der Fokus liegt auf Innovationen während zweier Phasen des Umbruchs: des 16./17. Jahrhunderts einerseits und der gegenwärtigen Praxis seit den 1980er Jahren andererseits. Die erste Umbruchphase war gekennzeichnet durch die Entstehung einer Untergattung, des haikai no renga, infolgedessen die Tradition des klassisch-orthodoxen renga zu erodieren begann, um ab dem späten 19. Jahrhundert nahezu gänzlich zu verschwinden. In der zweiten Phase, beginnend in den 1980er Jahren, gelang schließlich eine Renaissance des klassisch-orthodoxen renga. Das Projekt geht davon aus, dass eine wesentliche Erfolgsstrategie darin bestand, die entstandenen Überlieferungslücken durch Anleihen aus dem haikai no renga zu schließen und nicht mehr zeitgemäße Verfahren zu modernisieren. Dies betraf besonders Arten des Gebrauchs von Papier als Interaktions- und Aufzeichnungsmedium. Somit kann das haikai no renga als „missing link“ gelten, aus dem sich zeitgenössische Praktiken des (neo-)klassischen renga erklären lassen. Das haikai no renga hatte zur Zeit seiner Etablierung die Manuskriptpraktiken des klassischen renga übernommen, dann aber neue Papierformate eingeführt und so schließlich die innovativen Praktiken ermöglicht, an die das zeitgenössische renga später anknüpfen sollte. Diese Entwicklungen sollen systematisch erfasst, geprüft und dargestellt werden. Das Projekt leistet einen fundamentalen Beitrag zu den materiellen Bedingungen japanischer Literaturgeschichte, womit es insbesondere in der Haikai-Forschung Neuland betritt. Zwei Aspekte sprechen darüber hinaus für eine kultur- und religionssoziologische Relevanz des Themas: Zum einen waren die im Mittelalter und der frühen Neuzeit weit verbreiteten Gedichtzirkel an der Ausformung japanischer Zivilisiertheit und Kultiviertheit (civility) erheblich beteiligt. Zum anderen war stets ein starker Bezug der Kettendichtung zur religiös-sakralen Sphäre, insbesondere zur Kultur der Votivgabe, gegeben. Mit dem Studium noch nicht erschlossener Quellen wirkt das Projekt mit an der Pflege materiellen wie immateriellen Kulturerbes. Methodisch kommen verschiedene Zugangsweisen zur Anwendung, von der philologisch-manuskriptologischen Analyse originaler Artefakte und Faksimiles über die Auswertung poetologischer Regelbücher, bis hin zu komparatistisch intendierter Feldforschung in zeitgenössischen Dichterzirkeln. Manuskripte werden nicht nur als Objekte in den rituell-performativen Praktiken betrachtet: vielmehr ist davon auszugehen, dass sie im Sinne einer Handlungsmacht (agency) die Abläufe und die Veränderungsdynamiken der Zusammenkünfte mitgestalten. Mit diesem Fokus auf Materialgeschichte verspricht das Projekt auch einen neuen Blick auf die Entstehungsgeschichte der populärsten lyrischen Gattung Japans: das aus dem haikai no renga hervorgegangene haiku.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Japan
Kooperationspartnerinnen / Kooperationspartner Professor Kazuhito Hiroki; Dr. Yoshiho Kobayashi; Professorin Chika Ozaki
 
 

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