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Entwicklungsbiologische Zwänge und die Evolution von terrestrischen Reproduktionsmodi bei Anuren
Antragsteller
Privatdozent Dr. Hendrik Müller; Dr. Benjamin Naumann
Fachliche Zuordnung
Evolutionäre Zell- und Entwicklungsbiologie der Tiere
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 563588454
Welche Rolle spielen entwicklungsbiologische Zwänge in der Evolution? Dies ist nach wie vor eine zentrale Frage der evolutionären Entwicklungsbiologie. Entwicklungsbiologische Zwänge ergeben sich meist aus Wechselwirkungen zwischen Entwicklungsprozessen und kanalisieren ontogenetische und evolutionäre Verläufe. Diese Zwänge können essentiell für das Verständnis evolutionärer Muster sein. Ihre Identifikation ist jedoch aufgrund der Dynamik von Entwicklungsprozessen nicht immer eindeutig. In diesem Projekt soll die Rolle von Zwängen während der mehrfach unabhängigen Evolution (konvergente Evolution) von Direktentwicklung und anderen abgeleiteten Formen der biphasischen Entwicklung in verschiedenen Anurengruppen untersucht werden. Hier können neben entwicklungsbiologischen Zwängen auch Adaptationen identifiziert werden. Ursprünglich umfasst die Fortpflanzung der Anuren (und Amphibien im Allgemeinen) aquatische Eier, die sich zu aquatischen, frei-schwimmenden und fressenden Larven entwickeln. Diese durchlaufen eine von Schilddrüsenhormonen abhängige Metamorphose zu einem nahezu terrestrischen Adultus. Dieser ursprüngliche Reproduktionsmodus wurde in verschiedenen Amphibiengruppen erheblich modifiziert, von vollständig aquatischen bis hin zu terrestrischen Eiern, einer terrestrischen Larvenphase, direkter Entwicklung und Viviparie. Die unabhängige Evolution abgeleiteter Reproduktionsmodi steht jedoch im Widerspruch zur allgemeinen Vorstellung, dass die Metamorphose, als komplexer, neuroendokrin regulierter Prozess, die Evolvierbarkeit der Ontogenese der Anuren einschränkt. Die übergreifenden Fragen dieses Projekts lauten daher: Ist die Metamorphose eine ontogenetische Phase, die starken Zwängen unterliegt und die Evolvierbarkeit der terrestrischen Fortpflanzungsformen bei Anuren steuert? Welche entwicklungsbiologischen musterbildenden Prozesse (Heterochronie, Heterometrie, Heterotopie, Heterotypie) sind an der Evolution der terrestrischen Fortpflanzungsformen beteiligt? Ist die entwicklungsbedingte Umstrukturierung neuraler Strukturen bei Anuren von der Aktivität der Hirn-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse abhängig? Wir wollen diese Fragen klären, indem wir diverse Aspekte der Entwicklung des Nervensystems in dem derzeit größten Datensatz von Anuren mit unterschiedlichen Reproduktionsmodi und unterschiedlichem Grad der terrestrischen Entwicklung untersuchen. Dies soll durch eine Kombination aus Histologie, Mikro-Computertomographie, 3D-Rekonstruktion sowie morphometrischen Methoden und Heterochronie-Analysen erreicht werden. Die Daten aus diesem Projekt sollen mit bereits vorhandenen oder parallel erarbeiteten Daten zur Entwicklung anderer Organsysteme kombiniert werden um eine organismische Sicht auf Anurenentwicklung zu erhalten. Das Ergebnis wird sowohl ein umfassender Einblick in die Evolution der Entwicklungsprozesse der Anuren sein als auch ein größeres Verständnis der Rolle von entwicklungsbiologischen Zwängen bei der Umstrukturierung dieser.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
