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Akteure und Praktiken des Shengpingshu: Geschlechtlichkeit, Materialität und Macht im Theater von Chinas später Qing-Dynastie

Fachliche Zuordnung Theater- und Medienwissenschaften
Asienbezogene Wissenschaften
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 563606575
 
Das Projekt verortet sich an der Schnittstelle einer transkulturell und vergleichenden Medienwissenschaft, einer erkenntniskritischen Archivwissenschaft und einer chinesischen Theaterwissenschaft. Es widmet sich zentral der Betrachtung der staatlichen Institution der „Shengpingshu“ (升平署,1827-1924). Diese war für die Verwaltung der höfischen und populären Theater zuständig, organisierte Theateraufführungen im Palast, kontrollierte die populären Bühnen in Peking, überwachte die Ausbildung und Einsetzung von Schauspielern und verantwortete die Archivierung von Theaterstücken, Requisiten, Protokollen etc „Shengpingshu“ weist eine geschlechtliche Komplexität des Theaters auf, wie sie in den Bühnenstücken selbst zumeist nicht zu erkennen ist. Als eine innerhöfische Theaterinstitution wurde „Shengpingshu“ ausschließlich von Eunuchen verwaltet und bezog in einer Zeit, als Frauen noch weitgehend vom Theater ausgeschlossen waren, bereits ein weibliches Haremspublikum mit in seine Aktivitäten ein. Sie beherbergte eine große Anzahl von Cross-Dressing-Schauspielern und hinterließ schließlich eine enorme Menge administrativer Archive. Deren aus fragmentierten Verwaltungstexten bestehenden Papierdokumente stehen in einer gewissen Affinität zu den marginalisierten Geschlechtern und den anonymen Stimmen "infamer Menschen". Sie treten an die Seite und in einen Dialog mit der hegemonialen Theatergeschichte männlicher Dramatiker und Schauspieler. Durch ihre Begegnungen mit Institutionen und Diskursen konnten sie bisher kaum beachtete subversive Kräfte entfalten, materielle Praktiken des höfischen Theaters spiegeln und dessen etablierte Machtstrukturen aufdecken. Damit zielt das Projekt darauf ab, medienarchäologische mit gender- und queerpolitischen Fragestellungen zu verknüpfen und diese an eine lokale und eine erweiterte Globalgeschichte des Wissens anzubinden. Hierfür werden bürokratische Aspekte in die Erforschung der Medien- und Theaterszene im China der späten Kaiserzeit eingefügt. Das bedeutet eine wesentliche Erweiterung der in weiten Teilen bereits untersuchten Diskurse materieller Medienpraktiken um nicht-binär-geschlechtliche und weibliche Akteure. Im Vordergrund steht die Verbindung zwischen geschlechtlichen Identitäten und der soziopolitischen Situation Chinas im 19. Jahrhundert. Zugleich soll die in der Forschung bislang gänzlich übersehene Rolle bürokratischer Institutionen als vermittelnde Akteure in der Praxis chinesischer Theater- und Medienkultur betrachtet werden. Deren Produktion kultureller Texte und Bedeutungen wird den bisher im Vordergrund stehenden literarischen und dramatischen Werken an die Seite gestellt, um so ein weiteres Forschungsfeld chinesischer Kulturanalyse und globaler Theater- und Genderforschung vorzuschlagen. Schließlich soll auch die chinesische Perspektive selbst in die bisher von euroamerikanischen Diskursen geprägte Archiv- und Wissensgeschichte eingeführt und für die weitere Debatte vorgeschlagen werden.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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