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Der Welterklärer. Klaus Mehnerts Aufstieg vom Osteuropa-Experten zum public intellectual der frühen Bundesrepublik
Antragsteller
Professor Dr. Dietmar Neutatz
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 564244754
Das Forschungsprojekt untersucht das Leben des Osteuropa-Experten, Publizisten, Journalisten und Professors für Politische Wissenschaft Klaus Mehnert (1906–1984). Im Fokus steht dabei seine Doppelfunktion als prominenter ‚Welterklärer‘ und ‚Lehrer‘ der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft einerseits und als einflussreicher Berater der (Außen-)Politik der frühen Bundesrepublik andererseits. Mehnert erklärte wie kein Zweiter der Bevölkerung der Bundesrepublik die Politik und die Gesellschaft der Sowjetunion, aber auch die der USA und Chinas. Als Netzwerker gehörte er zu jenen Osteuropa-Experten, die ihre Karriere schon vor 1933 begannen und nach 1945 erfolgreich fortsetzten. Paradigmatisch ermöglicht sein Leben Einblicke in die Rolle von Experten, die nicht nur als einflussreiche Berater und Berichterstatter, sondern auch als selbstbewusste politische Akteure in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit auftraten. Ziel des Projekts ist es, zu analysieren, wie sich Mehnert im Laufe der 1950er und 1960er Jahre von einem Spezialisten für Osteuropa zu einem in den Medien omnipräsenten Universalexperten entwickeln konnte. Diese Ergebnisse werden in die Mentalitätsgeschichte der frühen Bundesrepublik eingebettet, indem Mehnerts Resonanzraum und die sozialen Rahmenbedingungen von Experten im Kontext einer sich im Wandel befindlichen Gesellschaft untersucht werden. Damit soll das Projekt einen Beitrag leisten zur Forschung über Osteuropa-Experten und -Expertise in der Bundesrepublik, über Kulturvermittlungsprozesse und zur Intellektuellen- und Ideengeschichte Nachkriegsdeutschlands. Gleichzeitig offeriert der Blick durch Mehnerts „Brennglas“ Rückschlüsse auf die Agency konservativer public intellectuals in der Gründungsphase der Bundesrepublik, die Situation der deutschen Osteuropaforschung nach 1945 sowie den Resonanzraum von (Osteuropa-)Experten in der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Das Projekt versteht Expertise als soziales Feld und Experten als hybride Konstrukte, die vielfältige Formen von Wissen mit diversen Machtstrategien verbinden. Daher wird erstens untersucht, mit welchen Strategien Mehnert seinen Status als Experte erarbeitete bzw. sich an neue Verhältnisse anzupassen versuchte. Hierzu werden im Kontext der verschiedenen Rollen, die Mehnert im Laufe seines Lebens einnahm, jeweils seine Glaubwürdigkeits-, Selbstvermarktungsstrategien- und Netzwerkstrategien beleuchtet. Zweitens wird Mehnert als public intellectual definiert, der in seiner sozialen Rolle eines Expertenintellektuellen versuchte, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dabei geht das Projekt von der Annahme aus, dass Intellektuelle in besonderer Weise Exponenten des Zeitgeistes sind, weshalb an der Analyse seiner Sozialfigur als public intellectual kulturelle, politische und wissenschaftliche Transformationsprozesse und Rahmenbedingungen; die Agency von rechten Intellektuellen und Osteuropa-Experten in der frühen Bundesrepublik und Mehnerts Resonanzraum untersucht werden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
