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Die Verwilderung einer lnsel in Zeiten des Aussterbens: Eine mehr als menschliche Geschichte von Rubondo IsIand (Tansania), 1880-1980

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 565181295
 
Das Buch untersucht die Geschichte der ältesten und bis heute größten Naturschutzinsel in Afrika, der Insel Rubondo (Tansania), die im Südwesten des Viktoriasees liegt. Während der See weithin als Beispiel par excellence für die Zerstörung von Biodiversität durch die Ansiedlung invasiver Arten gilt, so steht Rubondo im Ruf, zu den letzten Resten einer von Menschen unberührten Primärnatur in Afrika zu zählen. Die Untersuchung zeigt nun, wie sich seit den 1880er Jahren auch das Artengefüge auf Rubondo durch menschliche Aktivitäten und insbesondere durch die Einführung vormals gebietsfremder Spezies erheblich gewandelt hat. Die Darstellung setzt in den Jahren um 1880 ein, in denen Plünderungs- und Versklavungszüge Bugandas die Fischereiökonomie auf Rubondo gravierend beeinträchtigt haben. Nach der Errichtung der deutschen Kolonialherrschaft lenkte in den 1900er Jahren eine Epidemie der Schlafkrankheit das Interesse der Obrigkeiten auf Rubondo. Ihre Bestrebungen zur Unterbrechung der Übertragungsketten führten zu tiefgreifenden Interventionen in naturkulturelle Verhältnisse im Südwestteil des Sees. Sie mündeten 1911 in der Ausweisung der Inselbevölkerung, der Nyarubondo, und der Klassifizierung der Insel als Waldreservat. Nach dem Ende der deutschen Herrschaft im Ersten Weltkrieg erhielt die nun britische Administration das Waldreservat als Schutzraum für eine als bedroht angesehene Natur aufrecht, nahm aber die Rückkehr der Nyarubondo hin. In der Umbruchphase der Dekolonisation brachten Naturschützer ab 1963 rund Einhundert große Säugetiere nach Rubondo, um die Insel in eine neuzeitliche Arche Noah für die bedrohte Fauna Ostafrikas zu verwandeln. Die Nyarubondo mussten die Insel erneut verlassen. Ab 1966 erweiterten der deutsche Zoodirektor Bernhard Grzimek und die mit ihm verbundene Zoologische Gesellschaft Frankfurt die Tieransiedlungen auf weitere Spezies mit einem hohen Seltenheits- und Begegnungswert, um Rubondo auf eine touristische Vermarktlichung vorzubereiteten. Nach langjährigen Finanzierungs- und Zuständigkeitskonflikten gelangte diese Phase 1977 zum Abschluss, als das tansanische Parlament die Insel als Nationalpark klassifizierte, um sie für die postkoloniale Tourismuswirtschaft in Wert zu setzen. Als erste Monographie zur Geschichte von Rubondo ordnet die Untersuchung die Vorgänge in die aktuellen Debatten um das massenhafte Aussterben von Arten ein. Sie zeigt, wie menschliche Eingriffe in das Artengefüge unter den Voraussetzungen von Kolonialherrschaft und Dekolonisation die Bedingungen für das Leben von vielen Spezies verändert haben. An der Betrachtung der Inselwelt im Kleinen lädt das Buch zum Nachdenken über Großes ein: über die Steuerbarkeit von Verwilderung und die Natürlichkeit einer durch menschliche Eingriffe regulierten Natur. Über die Rolle von Tourismus und Nichtregierungsorganisationen in postkolonialen Naturschutzarchitekturen. Und über das Vermögen von Tieren und Pflanzen, den historischen Wandel mit zu beeinflussen.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
 
 

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