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Die Übersetzung der Kreuzzüge: Das historische Erbe der orientalistischen Übersetzungsbewegung

Antragsteller Dr. James Wilson
Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Islamwissenschaft, Arabistik, Semitistik
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 565228837
 
Zwischen 1872 und 1906 stellten die fünf Bände des Recueil des historiens des croisades: historiens orientaux gekürzte Ausgaben und französische Übersetzungen arabischer Quellen der Kreuzzugszeit zur Verfügung. Seitdem hat diese Sammlung beeinflusst, wie sich Generationen von Historiker*innen mit arabisch-islamischen Wahrnehmungen der Kreuzzüge und damit einer wichtigen historischen Facette christlich-muslimischer Beziehungen befasst haben. Vor dem Hintergrund aktueller postkolonialer Debatten in und jenseits der Mediävistik erscheint eine eingehende Untersuchung dieser Übersetzungen und ihrer Nachwirkungen geboten. Einerseits kann man der Recueil als reflektierten akademischen Versuch betrachten, muslimische Perspektiven auf Kreuzzugsphänomene und damit verbundene kulturelle Interaktion zu verstehen und diese einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Andererseits wurde einigen der an dem Übersetzungsprojekt beteiligten Personen—wie Silvestre de Sacy und William McGuckin de Slane—vorgeworfen, orientalistische oder gar kolonialistische Empfindungen hätten die wissenschaftliche Integrität ihrer Arbeit untergraben. Im Rahmen einer exemplarischen Studie des Geschichtswerks von Ibn al-ʿAdīm (gest. 1262) versucht das Projekt nicht nur, den „ideologischen“ Gehalt der Übersetzungen zu ermessen. Ferner wendet es grundlegende philologische und kodikologische Methoden der Mediävistik auf ein lange vernachlässigtes Quellenkorpus an, indem es die Übersetzungen mit Manuskripten und kritischen Editionen abgleicht. Dieser Vergleich ermöglicht eine Bewertung redaktioneller Entscheidungen – etwa Auslassungen – und ihre möglichen Auswirkungen auf die narrative Struktur der zugrundeliegenden Texte. Durch Sichtung von Paratexten, vorbereitenden Dokumente, Notizen, frühen Editionsentwürfen, Berichten über Fachtagungen sowie der Korrespondenz zwischen Wissenschaftlern, Verlegern und politischen Akteuren, wird auch gezeigt, wie politische Institutionen des 19. Jahrhunderts das Übersetzungsprojekt förderten. Sie verliehen orientalistischen Übersetzungen mehr Prestige, während sie einige der beteiligten Übersetzer in koloniale Aktivitäten verwickelten. Ein mehrdeutiges Wechselspiel zwischen Mediävismus, Orientalismus und eurozentrischen Einstellungen beeinflusste sowohl die Kuratierung dieser vielfältigen Sammlung arabischer Texte im 19. Jahrhundert und ihre anschließende wissenschaftliche Rezeption. Angesichts aktueller Ereignisse mit Reperkussionen auf die Beziehungen zwischen Europa und der arabischen Welt sowie anhaltender Diskussionen zu Migration und Rechtspopulismus hat das epistemologische Erbe des Orientalismus an Relevanz gewonnen. Indem es den Recueil sowohl aus einer weiteren Perspektive als auch im Rahmen konkreter Fallstudien untersucht, trägt das Projekt zu einer Objektivierung polarisierter und politisierter Diskurse zu Relevanz und Nachleben wissenschaftlicher Projekte bei, die in der Hochzeit orientalistischen und kolonialen Denkens entstanden.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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