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Russlands „Aneignung“ der Arktis Interessen, Instrumente und Identitäten von der späten Zarenzeit bis zur Gegenwart

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 565948514
 
Mit der Eskalation des Ukrainekriegs endete 2022 auch eine Periode pragmatischer Kooperation zwischen den Arktisanrainerstaaten. Die Moskauer Regierung hat aber schon länger auf eine Militarisierung der Nordpolarregion gesetzt und einen Gutteil des Arktischen Ozeans zu ihrer geopolitischen Einflusszone erklärt. Die Strategie hat mit Ansprüchen auf Rohstoffe unter dem Meeresgrund zu tun und mit der zunehmenden Schiffbarkeit des nördlichen Eismeers infolge des Klimawandels. Doch vor allem setzt Russland heute eine durch den Untergang der UdSSR unterbrochene Politik der „Aneignung“ der Arktis fort, die nicht nur politisch-strategische und ökonomische Interessen verfolgt, sondern auch ein sozial- und kulturgeschichtliches Projekt ist. Kein anderes Land hat die Arktis, insbesondere die Küsten, stärker besiedelt und industrialisiert und den Ozean intensiver als Seeweg genutzt. Russlands hoher Norden dient als Projektionsfläche für nationale Interessen und Identitäten − und seine Geschichte als Legitimation für vermeintlich „natürliche“ Vorrechte des größten arktischen Staates. Das Projekt untersucht Russlands Geschichte der Arktis-„Aneignung“ vom späten 19. Jahrhundert, als das Polarmeer als Interessenssphäre entdeckt und dank moderner Technik zugänglich wurde, bis zur Gegenwart, in der die Arktis in den ökonomisch-sicherheitspolitischen Programmen der Russländischen Föderation immer weiter nach oben rückt. Im Mittelpunkt steht der zeitgenössische Begriff der „Aneignung“, ein wiederbelebtes Schlagwort aus der Stalinzeit. „Aneignung“ [osvoenie] ist ein Euphemismus, der den Prozess der Inbesitznahme umschreibt: die systematische Erforschung und Ausbeutung der Natur und die „Sowjetisierung“ der indigenen Bevölkerung. Zugleich ging es um eine dauerhafte Umgestaltung der Region durch Besiedlung und ihre ideologische Vereinnahmung. Das Projekt analysiert beide Seiten, wobei verschiedene disziplinäre Ansätze von der Politikwissenschaft über die Ethnologie und Rechtsgeschichte bis zur Slavistik kombiniert werden. Zwei Teilprojekte mit Forschungsaufenthalten sind bereits konkret geplant: Eine Analyse der sowjetischen Polarmedizin als Instrument zur Anpassung an extreme klimatische Verhältnisse und eine Dekonstruktion des idealisierten Bilds vom „russischen Norden“ in Politik und Propaganda am Beispiel der Rolle von Spitzbergen und anderer Vorposten im Arktischen Ozean. Der wichtigste Kooperationspartner ist das Arctic Research Center in Sapporo (Japan). Das gemeinsame Ziel ist es, über eine internationale Konferenz eine interdisziplinäre Publikation zu erstellen; solch ein umfassendes Überblickswerk zur Geschichte und Gegenwart der russischen Arktis gibt es bislang nicht. Es setzt Vladimir Putins ideologischer Vereinnahmung der Arktis gründliche Analysen entgegen − und ermöglicht Forscherinnen den Austausch von Ideen und Forschungsdaten. Langfristig soll das Verbundprojekt als Netzwerk institutionalisiert und in einen größeren Projektantrag überführt werden.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Japan
Kooperationspartnerinnen / Kooperationspartner Professorin Marina Lomaeva; Professor Fujio Ohnishi
 
 

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