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Die Geburt einer „Schriftstellerin“: Elisabeth-Charlotte („Liselotte“) von Orléans im Neunjährigen Krieg („Pfälzischen Erbfolgekrieg“) 1685–1697
Antragsteller
Professor Dr. Sven Externbrink
Fachliche Zuordnung
Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 565960832
Elisabeth-Charlotte von der Pfalz, Herzogin von Orléans, in Deutschland „Liselotte“, in Frankreich „Madame“ genannt, ist noch immer einem größeren Publikum bekannt. Sie verdankt dies ihren Briefen vom Hofe Ludwigs XIV. Ein Grund für das fortwährende Interesse an ihren Briefen ist, dass sie einerseits bis 1945 in weitverbreitete antifranzösische Feindbilddiskurse integriert werden konnten, und andererseits durch zahlreiche „deftige“ Anekdoten das Bild eines angeblich dekadenten Hofes zeichneten. Damit bestätigten sie zugleich das vorherrschende Negativbild des frühneuzeitlichen Fürstenhofes. Zwar dient Liselotte schon längst nicht mehr als Kronzeugin einer deutsch-französischen Erbfeindschaft, aber viele Bestandteile des auf dieser Grundlage beruhenden Liselotte-Bildes sind noch immer wirkmächtig. Diese hartnäckigen Klischees zu überwinden ist ein Ziel des interdisziplinär angelegten Vorhabens, dass historische und literaturhistorische Perspektiven verknüpft. Dazu werden Elisabeth Charlotte und ihre Korrespondenz in der aktuellen historischen Adels-, Gender-, Dynastie- und Hofforschung sowie der Selbstzeugnis- und literaturhistorischen Brief- und Netzwerkforschung verortet. Im Zentrum des Projektes stehen die Briefe an ihre Tante Sophie von Hannover und ihre anderen Korrespondenzpartner/innen zwischen 1680 und 1697. Diese knapp 20 Jahre markieren einen Wendepunkt in ihrem Leben. Im Untersuchungszeitraum verlor sie ihre Eltern und fast alle ihre nächsten Verwandten, im Neunjährigen Krieg (früher Pfälzischer Erbfolgekrieg genannt) wurden Heidelberg und die Kurpfalz systematisch verwüstet und zugleich veränderte sich ihr Status am französischen Hof. Aus zwei erkenntnisleitenden Perspektiven sollen die Briefe untersucht werden: erstens im Hinblick auf Persönliche und europäische Zäsuren 1680–1697, zweitens im Hinblick auf die Bedeutung der Briefe als Selbstzeugnisse, Ausdruck einer adeligen Briefkultur und die durch sie durch rekonstruierbaren Korrespondenznetzwerke. Im Untersuchungszeitraum, und als Konsequenz dieser Erfahrungen, erfolgte, so die These, die „Geburt der Schriftstellerin“ Elisabeth Charlotte: Um ihre Tante Sophie zu „divertieren“ schöpfte Elisabeth Charlotte – bewußt oder unbewußt – nach und nach das literarische Potential des Mediums „Brief“ in alle Richtungen aus: um Informationen, zu übermitteln, Lebensweisheiten zu teilen, von Begegnungen und Gesprächen zu berichten, zu philosophieren, zu lästern, zu unterhalten, um so in einen Dialog mit dem oder jeweiligen Brief-partner/in zu treten. All diese Charakteristiken zeichnen zugleich die literarische Qualität der Briefe der Madame de Sévigné aus, die wie Elisabeth Charlotte, ihren Briefen keinerlei literarischen Wert zugeschrieben hat. So soll nicht nur der große historische Quellenwert der Briefe herausgearbeitet werden, sondern auch Elisabeth-Charlotte als eigenständige Autorin entdeckt werden, die im Medium Brief die in ihr angemessene Form des Ausdrucks gefunden hat.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
