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Die neuronale Dynamik der Akkumulation kausaler Evidenz in der multisensorischen Wahrnehmung
Antragsteller
Professor Dr. Tim Rohe
Fachliche Zuordnung
Biologische Psychologie und Kognitive Neurowissenschaften
Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 566261189
Unsere menschliche Wahrnehmung kann bemerkenswert mühelos kohärente multisensorische Repräsentation der Umwelt bilden. Dafür sollte unser Gehirn multisensorische Reize nur dann integrieren, wenn sie auf eine gemeinsame Ursache zurückgehen. Reize von unabhängigen Ursachen sollte es unabhängig verarbeiten. Beispielsweise kann unser Gehirn auf einer Feier eine von vielen Stimmen mit dem Gesicht einer Sprecherin verbinden, ohne die Stimme fälschlicherweise einem anderen Gesicht zuzuordnen. Bisherige Studien deuten darauf hin, dass das Gehirn die kausale Struktur multisensorischer Reize (d. h. gemeinsame bzw. unabhängige Ursachen) erschließt, indem es kausaler Evidenz aus den räumlich-zeitlichen Beziehungen der Reize mit vorherigen Annahmen kombiniert. Bisher wurde multisensorische kausale Inferenzen nur als statischer Prozess mittels kurzer sensorischer Stimuli untersucht. Das Verständnis der multisensorischen Wahrnehmung in realen Umwelten erfordert jedoch eine dynamische Perspektive: In einer sich verändernden Umgebung kann das Gehirn die Dynamik intersensorischer Beziehungen nutzen, um kausale Evidenz über die Zeit zu akkumulieren und schnelle und zuverlässige kausale Schlüsse zu ziehen. In diesem Antrag werden wir ein dynamisches Modell der multisensorischen kausalen Inferenz entwickeln: Das Gehirn akkumuliert kausaler Evidenz, um die kausale Unsicherheit zu verringern. Währenddessen treten alternative Hypothesen über die Kausalstruktur der Reize in einen Wettbewerb. Um den Wettbewerb zu lösen, nutzt das Gehirn präfrontale Konfliktüberwachungs- und -regulierungsprozesse, bis die kausale Unsicherheit ausreichend reduziert ist und sich eine kohärente multisensorische Wahrnehmung stabilisiert hat. Um dieses neurokognitive Modell zu untersuchen kombiniert das Projekt audiovisuelle psychophysikalische Experimente mit komputationaler Modellierung und uni- sowie multivariater Musteranalyse von EEG- und fMRI-Daten von gesunden menschlichen ProbandInnen in drei Arbeitspaketen (APs). Anhand eines audiovisuellen Paradigmas, das die Frequenz der Präsentation der Stimuli variiert, beschreiben wir die Akkumulation kausaler Evidenz, indem wir das Modell der kausalen Inferenz mit einem Drift-Diffusions-Modell (CI-DDM) integrieren. In einer psychophysikalischen Studie (AP1) modelliert das CI-DDM die kausalen Entscheidungen sowie deren Reaktionszeiten und die audiovisuelle Wahrnehmung der Stimulus-Frequenz der ProbandInnen. In einer EEG (AP2) und einer fMRI (AP3) Studie nutzen wir das CI-DDM, um die neuronale raumzeitliche Dynamik der Akkumulation kausaler Evidenz entlang kortikaler Hierarchien zu erfassen. Zudem untersuchen wir wie präfrontale Konfliktüberwachungs- und -regulierungsprozesse den Wettbewerb zwischen den Kausalhypothesen lösen. Die Projektergebnisse werden unser Verständnis darüber vertiefen und erweitern, wie Menschen kausale Schlussfolgerungen als Grundlage für die multisensorische Wahrnehmung dynamischer, komplexer Umgebungen ziehen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
