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Die Rückforderung des staatlichen Sicherheitsversprechens aus der Perspektive der Staatenlosigkeit

Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Politikwissenschaft
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 544962752
 
Dieses Forschungsprojekt fokussiert auf Personen, die vom Staatsbürgertum und vom Schutz staatlich konzipierter Sicherheit ausgeschlossen sind – für sie bedeutet staatliche Sicherheit nicht nur die unterdrückende Präsenz oder den Rückzug eines bestehenden Staates, sondern auch das Fehlen sowie die Sehnsucht nach einem alternativen Staat. Das Projekt untersucht, wie diese Menschen als Reaktion auf ihren Ausschluss eigene Sicherheitspraktiken entwickeln, indem sie ihre Lebensumgebungen aktiv umgestalten. Dabei stellt sich die Frage, wie diese Praktiken das staatliche Versprechen eines inklusiven Schutzes beeinflussen und welche Veränderungen sie in den Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft in Krisenzeiten bewirken. Die kritische Sicherheitsforschung rückt zunehmend „bottom-up“ und verankerte Sicherheitskonzepte in den Mittelpunkt, was jedoch oft die sich wandelnde Bedeutung staatlicher Sicherheit übersieht. Zeitgleich zeigen Debatten zur demokratischen Souveränität im neoliberalen Zeitalter, dass lokale und basisdemokratische Strukturen – von gegenseitiger Hilfe bis hin zur kommunalen Selbstverwaltung – marginalisierten Akteuren ermöglichen, Souveränität jenseits des neoliberalen Staates zu organisieren, indem sie vorrangig existenzielle soziale und wirtschaftliche Bedürfnisse adressieren. Dabei wird häufig vernachlässigt, dass manche marginalisierte Gruppen, deren Erfahrungen des Ausschlusses weit über die neoliberalen Jahrzehnte hinausreichen, dem staatsbasierten Modell demokratischer Souveränität durchaus Wert beimessen. Diese Akteure sehen keinen Widerspruch darin, staatliche Souveränität zu bewahren und gleichzeitig pragmatische Lösungen für alltägliche Probleme zu entwickeln. Im Zentrum des Projekts stehen bisher wenig beachtete, basisdemokratische Sicherheitsinitiativen politisch Staatenloser. Ein exemplarischer Fall sind zivilgesellschaftliche Initiativen kurdischer Techniker in der Türkei (Ingenieure, Architekten, Stadtplaner), die früher in Kurdisch geführten Kommunen tätig waren, bevor sie im Zuge repressiver Maßnahmen des türkischen Staates unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit entlassen wurden. Nach ihrer Entlassung gründeten sie Projekte, die sich mit Ernährungssicherheit, Katastrophenvorsorge und Umweltwohlfahrt befassen. Die Untersuchung erfolgt mittels qualitativer Methoden wie kollaborativer Aktionsforschung, detaillierter Beschreibung, teilnehmender Beobachtung, Interviews und kultureller Produktion, um den materiell-räumlichen Charakter der Initiativen widerzuspiegeln. Die zentrale Hypothese lautet, dass diese Initiativen staatlich definierte Sicherheit nicht nur ergänzen oder untergraben, sondern das Versprechen eines inklusiven Schutzes aktiv neu verhandeln und es im Angesicht globaler ökologischer Herausforderungen umgestalten.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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