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Leben in Bedrängnis. Poltische Interventionen im Zeichen von Urbizid
Antragstellerin
Professorin Dr. Susanne Krasmann
Fachliche Zuordnung
Soziologische Theorie
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 544962752
In einer Zeit kulminierender Krisen und Unsicherheiten ist der Wert des Lebens zu einem zentralen Thema geworden. Dies gilt nicht nur für die Priorisierung im Katastrophen- und Notfallmanagement. Vielmehr haben Fragen des Lebens auch nachdrücklich Einzug in die politische Arena erhalten: Was bedeutet lebenswertes Leben angesichts einer dramatisch sinkenden Bewohnbarkeit des Planeten im Zuge des Klimawandel? Wie lässt sich das Problem weltweit zunehmend umkämpfter Energieressourcen bewältigen? Und wie kann sich die eigene Lebensweise gegenüber dem wachsenden Einfluss autokratischer Regime behaupten? Für Fragen der Sicherheit ist das Leben zentral: Was als schützenswert gilt, ist das, was im Leben als wertvoll angesehen wird. Gleichwohl ist das Thema in der Sicherheitsforschung kaum theoretisch und empirisch expliziert. Das Projekt befasst sich mit diesen wichtigen Fragen in der Erforschung von „Urbizid“. Dieser Begriff, so die Ausgangsbeobachtung, ist paradigmatisch für ein vielfältiges Verständnis dessen, was „Leben“ heißt – und was bedroht ist und zerstört wird, sobald städtische Räume systematisch zum Ziel gewaltsamer Angriffe werden. Urbizid ist mehr als die Zerstörung von Gebäuden und Infrastruktur, es betrifft das Leben der Bürger und Bürgerinnen in Kern: ihren Lebensraum, ihre Lebensgrundlagen und ihre Lebensweise. Urbizid ist eine Form der Vernichtung menschlicher Existenz. Als eine spezifische Form politischer Gewalt wird Urbizid in diesem Projekt gleichermaßen als eine analytische Kategorie wie als ein empirisches Phänomen verstanden. Ausgangspunkt der Studie ist der Urbizid in der Ukraine seit der russischen Großinvasion. Das Projekt fragt zunächst, wie „das Leben“ in der Ukraine zu einem öffentlichen Thema wird angesichts zerstörter Landschaften, sei es Architektur, Infrastruktur, städtische Räume oder die natürliche Umwelt. Es untersucht, wie die Zerstörung von Gebäuden als ein Verlust erlebt wird und diese Erfahrung in Projekte und Pläne des Wiederaufbaus sowie in Zukunftsvisionen einfließt. Urbizid ist weniger ein Rechtsbegriff als vielmehr ein politisches Konzept. Das Projekt fragt daher zweitens, wie dieser Begriff in politische Einforderungen von Sicherheit und Anrufungen des Völkerrechts einfließt. Es eruiert auf diese Weise, wie sich lokale mit globalen Sicherheitsbelangen verbinden. Mit dem Begriff des Urbizids verfolgt das Projekt ein Konzept von Sicherheit jenseits herkömmlicher Unterscheidungen wie etwa zwischen Natur und Kultur oder dem Schutz menschlicher und nicht-menschlicher Lebewesen. Die Frage, wie der „Wert des Lebens“ im Streben nach Sicherheit zum Ausdruck kommt, ist überdies von elementarer Bedeutung, um gegenwärtige und sich verändernde Erwartungen an ein staatliches Versprechen von Sicherheit zu verstehen.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen
