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‘Protection Mainstreaming’ durch Bewertungspraktiken in den Vereinten Nationen
Antragsteller
Dr. Holger Niemann
Fachliche Zuordnung
Politikwissenschaft
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 544962752
Das Projekt untersucht, inwiefern Bewertungspraktiken das humanitäre Schutzversprechen der Vereinten Nationen neu ausloten. Das Projekt möchte einen innovativen Beitrag zum Feld der Internationalen Beziehungen leisten, in dem es ein Konzept von ‘Protection Mainstreaming’ entwickelt und existierende Forschung zu internationale Normen und Praktiken in den Internationalen Beziehungen mit Analysen von Praktiken des Wertens und Bewertens in der Soziologie verbindet. Als ‘Protection Mainstreaming’ definiert das Projekt eine Reihe von dezidierten Aktivitäten, mit denen die Vereinten Nationen einen umfassenden Fokus auf Schutz auf allen Ebenen der humanitären Hilfe, von der Politikformulierung bis hin zu operativen Einsätzen, fördern und verankern möchten. Diese Entwicklung wurde nach einer Krise der humanitären Hilfe Ende der 1990er Jahre relevant, als die Vereinten Nationen versuchten ein fundamentales Dilemma der humanitären Hilfe neu zu bestimmen: Der universale Anspruch der humanitären Prinzipien wird in der Praxis oft nur selektiv verwirklicht. Angesichts begrenzter Ressourcen und Kapazitäten sind in Krisensituationen vielmehr Entscheidungen notwendig, wer geschützt werden soll und wer nicht. Derartige Triage-Entscheidungen stellen eine grundsätzliche normative Herausforderung für die humanitäre Hilfe dar. Die Priorisierung derjenigen, die am schutzbedürftigsten sind (z.B. Geflüchtete, Zivilist:innen, Kinder) und eine Orientierung an deren Bedürfnissen erschien ein vielversprechender Ansatz im Umgang mit diesen normativen Herausforderungen. Angesichts der Verschärfung humanitärer Katastrophen durch Kriege und Umweltkrisen sowie der steigenden Zahl an schutzbedürftigen Menschen, wird das humanitäre Schutzversprechen durch Praktiken des ‘Protection Mainstreaming’ aber noch selektiver und Triage-Entscheidungen akzeptabler. Das Projekt stellt die These auf, dass das humanitäre Schutzversprechen im Kern auf Bewertungspraktiken basiert. Es untersucht die oft impliziten Praktiken der Zuschreibung und Kategorisierung von Schutzbedürftigkeit, die humanitäre Akteure nutzen, um Entscheidungen darüber zu treffen, wer Schutz verdient und wer nicht. Das Projekt fokussiert auf drei Orte des ‘Protection Mainstreaming’ in den Vereinten Nationen: (1) Die humanitäre Praxisgemeinschaft in Genf, in der die Spezifizierung der humanitären Prinzipien durch geteilte Wissensbestände, Normen und Handlungsanleitungen erfolgt (der „Hub“); (2) die Trainings- und Kapazitätsaufbauprogramme, in denen diese Standards und Handlungsanleitungen vermittelt werden (das „Training“); (3) Feldoperationen, in denen diese Standards in der alltäglichen Praxis durch humanitäre Akteure umgesetzt werden (das „Feld“). Für die Erhebung und Auswertung der empirischen Daten nutzt das Projekt einen Mix unterschiedlicher qualitativer Methoden, darunter mobile Ethnographie (multi-sited ethnography), Interviews und Textanalysen.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen
