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Sicherheitsutopien in katastrophischen Zeiten
Antragstellerin
Professorin Dr. Nina Perkowski
Fachliche Zuordnung
Soziologische Theorie
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 544962752
Dieses Projekt untersucht Sicherheit aus der Perspektive marginalisierter Gruppen – nicht als passive Empfänger:innen von Sicherheitsmaßnahmen, sondern als aktive Subjekte, die Sicherheitspraktiken und -bedeutungen transformieren. Frauen, ethnische Minderheiten und Migrant:innen waren historisch nie vollständig in das liberale Sicherheitsversprechen einbezogen und erleben gegenwärtig den systematischen Abbau bereits begrenzter Schutzstrukturen. Diese Entwicklung vollzieht sich in einer Zeit beispielloser Herausforderungen für die institutionellen Grundlagen liberaler Demokratien und wird durch sich verschärfende ökologische Krisen verstärkt, die marginalisierte Gruppen unverhältnismäßig hart treffen und bestehende Vulnerabilitäten weiter erhöhen. Die historische Ausgrenzung von Gegengemeinschaften – charakterisiert durch Erfahrungen von Dominanz, gegenseitige Anerkennung und Distanz zu herrschenden Strukturen (Loick, 2024) – hat diese Gruppen zur Entwicklung alternativer Schutzmechanismen bewegt, die staatszentrierte Sicherheitskonzepte fundamental hinterfragen. Diese alternativen Sicherheitsverständnisse gewinnen zunehmend an Bedeutung, während traditionelle Sicherheitsversprechen für immer größere Bevölkerungsteile unerfüllt bleiben. Das Projekt widmet sich drei zentralen Forschungsfragen: Wie transformieren Gegengemeinschaften Sicherheit durch alternative Schutzpraktiken? Wie bewahren sie in Zeiten sich verengender politischer Spielräume ihre kollektive Handlungsfähigkeit? Wie präfigurieren ihre Praktiken alternative Sicherheitsbeziehungen und -vorstellungen? Das Projekt entwickelt das Konzept der „Sicherheitsutopien“, indem es zeitgenössischen Utopismus mit Forschung zur Alltagssicherheit verbindet. So untersucht es, wie Gegengemeinschaften unmittelbare Schutzpraktiken mit präfigurativen Experimenten kombinieren. Die Analyse fokussiert auf Sicherheitspraktiken, Sicherheitsvorstellungen und Sicherheitsbeziehungen. Die Studie nutzt partizipative und qualitative Forschungsmethoden in drei urbanen Kontexten, die unterschiedliche Stadien liberaler Erosion repräsentieren: Oakland (akute institutionelle Krise), Mailand (gradueller demokratischer Rückbau) und London (langfristige institutionelle Aushöhlung). Durch die vergleichende Analyse in diesen Kontexten verfolgt das Projekt zwei zentrale Ziele: Zum einen die Entwicklung von „Sicherheitsutopie“ als analytische Linse, um zu verstehen, wie marginalisierte Gemeinschaften Schutz außerhalb dominanter Paradigmen neu imaginieren und präfigurieren, wenn liberale Schutzversprechen erodieren. Zum anderen die Generierung systematischen empirischen Wissens darüber, wie verschiedene Gemeinschaften alternative Sicherheitspraktiken als Antwort auf unterschiedliche Muster institutionellen Versagens implementieren. Diese Forschung trägt maßgeblich zum theoretischen Verständnis bei, wie alternative Sicherheitsrahmen in katastrophischen Zeiten aus marginalisierten Positionen entstehen und wirksam werden können.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen
