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Über Indien zum Abendland? Die Genese des Abendlanddiskurses im Kontext der deutschsprachigen Indienbeschäftigung zwischen 1790 und 1830.

Antragsteller Dr. Ulrich Harlass
Fachliche Zuordnung Religionswissenschaft und Judaistik
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 568406999
 
Im beantragten Projekt soll die Genese des (deutsch-sprachigen) Identitätsdiskurses vom Abendland zwischen 1790 und 1830 historisch nachgezeichnet werden. Bislang liegen keine Studien dazu vor, obschon laut Forschungsstand das frühe 19. Jahrhundert und insbesondere die Gebrüder Schlegel ausschlaggebend für die Debatte um das Abendland und seine "ideologische Aufladung" waren. Die fachspezifische Fokussierung erfolgt auf zwei Bereiche: Religion und Indien. In der Forschung dominiert "der Islam" als Gegenfolie zu Artikulationen vom Abendland, gegen den es von Beginn seiner vermeintlichen „ideologischen Aufladung“ um ca. 1830 gestellt wird. Indien hingegen begegnet nicht. Dabei war Indien nicht nur ein zentraler Bezugspunkt in den Arbeiten der Gebrüder Schlegel, sondern höchstwahrscheinlich sogar ein entscheidender Punkt bei der Bestimmung des Eigenen, das schließlich als Abendland firmierte. Das Projekt widmet sich daher insbesondere "Indienkundlern", die in kulturgeschichtlichen und welthistorischen Werken Indien eine besondere Rolle zusprachen. Indien galt vielen als kultureller Vorläufer Europas, und hat damit vermutlich eine völlig übersehene zentrale Rolle für den Abendlanddiskurs. Hierbei zeigt sich auch der zweite inhaltliche Fokus, der bislang völlig unterschätzt wird: Religion. Die in der Abendland-Forschung als gegeben angenommene Religion wird nirgends explizit untersucht. Dies soll über den Zeitraum der Untersuchung hinweg (diachron), sowie zwischen den verschiedenen Artikulationen (synchron) herausgearbeitet werden. Zudem sind die Verständnisse von Religion in diesem Kontext unerforscht. Es deutet sich an, dass übliche religionswissenschaftliche Einordnungen, die ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zentrale Weichenstellungen für den „modernen“ Religionsdiskurs sehen, im Projekt deutlich geschärft und präzisiert werden. Religion begegnet als zentrales Moment in der Entstehung des Abendlanddiskurses, sein Verständnis wandelt jedoch stark und erste Ideen einer komparativen globalen Kategorie (allgemeine Religionsgeschichte, Weltreligionen) finden sich früher als bislang angenommen. Schließlich steht die allgemeinere Bewertung des „Abendlandes“ zu Debatte: globalgeschichtliche und postkoloniale Arbeiten überzeugen oft mit dem Argument weltweiter Verflechtung und gegenseitiger Abhängigkeit. Das Wissen auch der deutschen Indienkundler baute auf den kolonialen Archiven ihrer englischen und teilweise französischen Kollegen auf, die unter dem Eindruck imperialer Ausbeutung Asiens entstanden. Vor diesem Hintergrund werden die Extreme eines „deutschen Sonderweges“ der Abendlanddebatte bzw. seiner vollkommen globalen Dimension überprüft. Es muss sich am historischen Material erweisen, wie die Artikulationen abendländischer Identitäten entstanden und einzuordnen sind. Das Projekt verspricht somit, einen völlig neuen inhaltlichen Komplex für die Forschung zum Abendland, aber auch allgemeiner für die Religionsgeschichte zu erschließen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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