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Lokomotionsabhängige Modulation vestibulärer Eingänge

Fachliche Zuordnung Kognitive und systemische Humanneurowissenschaften
Experimentelle Modelle zum Verständnis von Erkrankungen des Nervensystems
Experimentelle und theoretische Netzwerk-Neurowissenschaften
Klinische Neurologie; Neurochirurgie und Neuroradiologie
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 569078105
 
Ein bemerkenswertes klinisches Phänomen bei Patient:innen mit peripherem Gleichgewichtsausfall ist die deutliche Abnahme ihrer Haltungs- und Blickstabilisierungsstörungen während der Lokomotion – insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten. Ähnliche Effekte lassen sich auch bei gesunden Personen unter gezielter vestibulärer Reizung beobachten: Gehen reduziert die Auswirkungen solcher Störungen deutlich – bis hin zu phasen- und aufgabenspezifischer Aufhebung. Diese Befunde deuten darauf hin, dass vestibuläre Signale beim Gehen selektiv unterdrückt werden und die Kontrolle von Haltungs- und Blickstabilität zunehmend durch lokomotorische Programme übernommen wird. Trotz der klinischen Relevanz ist die neurophysiologische Grundlage dieses lokomotionsinduzierten vestibulären Gatings bislang nur unzureichend verstanden. Während Studien an niederen Wirbeltieren mögliche Mechanismen aufgezeigt haben, sind diese bei Säugetieren bisher kaum systematisch untersucht worden. Dieses deutsch-französische Verbundprojekt verfolgt einen bidirektionalen translationalen Ansatz, um die Lücke zwischen klinisch-experimentellen Befunden beim Menschen und mechanistischen Erkenntnissen aus Tiermodellen zu schließen. In einer rück-translationalen Richtung (französischer Partner) wird der beim Menschen beobachtete vestibulär-lokomotorische Phänotyp im Rattenmodell nachgestellt. Mithilfe gezielter vestibulärer Neuromodulation und Verhaltensanalysen von Ganzkörper- und Blickkoordination sollen dabei in früheren Tierstudien vorgeschlagene Regulationsprinzipien experimentell überprüft werden – unter anderem mittels optogenetischer Verfahren und Ableitungen lokaler Feldpotentiale. In einer vorwärts-translationalen Richtung (deutscher Partner) wird ein in Tiermodellen beschriebenes Konzept getestet: dass während der Lokomotion die Blickstabilisierung direkt über Efferenzkopien spinaler Lokomotionssignale gesteuert wird. Dieser Mechanismus dürfte besonders wirksam sein, wenn Kopf- und Rumpfbewegungen eng koordiniert sind – also der Rumpf „weiß“, was der Kopf tut. Aufbauend auf dieser Hypothese untersuchen wir bei gesunden Personen, ob der Einfluss einer vestibulären Stimulation auf die Augenbewegungen während des Gehens vom Grad der Kopf-Rumpf-Koordination abhängt. Bei Patient:innen analysieren wir den Zusammenhang zwischen visueller Symptomatik und individuellen Rumpf-Kopf-Auge-Koordinationsmustern, um kompensatorische Strategien zu identifizieren, die Symptome beim Gehen reduzieren und potenzielle Therapieansätze bieten. Ziel des Projekts ist es, die Interaktion zwischen Lokomotion und vestibulär-sensorischer Regulation grundlegend zu verstehen – von klinischen Beobachtungen am Menschen zurück zum Tiermodell und von tierexperimentellen Mechanismen hin zu therapeutischen Anwendungen. Beide Partner bringen komplementäre Expertise in vestibulärer Neurophysiologie und Lokomotionsforschung ein und werden die Fragestellungen in enger, integrativer Zusammenarbeit bearbeiten.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Frankreich
Kooperationspartner Guillaume Dugué, Ph.D.
 
 

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