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Soziale Massenkontrolle in Aktion: Der neue Modus Operandi und die operative Tätigkeit des KGB bei der Gestaltung der sowjetischen Gesellschaft in der Post-Stalin-Ära (frühe 1950er-1991)
Antragstellerin
Evgenia Lezina, Ph.D.
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 570784017
Das Forschungsprojekt untersucht den neuartigen Modus Operandi des im März 1954 gegründeten sowjetischen Komitees für Staatssicherheit (KGB), das aktualisierte Repertoire seiner Praktiken und Methoden, sowie die neuen zeitlichen Perspektiven staatlicher Gewalt. Im Mittelpunkt steht die mittel- bis langfristige Entwicklung vom späten Stalinismus bis zum Ende der Sowjetunion, vor dem Hintergrund der Bemühungen von Partei und KGB, das System unter den Bedingungen der Perestroika zu stabilisieren. Die Zeit des Hochstalinismus war gekennzeichnet durch den uneingeschränkten Einsatz des Terrors als Instrument der Gesellschaftsgestaltung. Der Tod des sowjetischen Diktators im März 1953 führte zu einer tektonischen Verschiebung in der Arbeitsweise der Sicherheitsorgane, die den Übergang vom Massenterror zur sozialen Massenkontrolle markierte und selektive Repression mit umfassender präventiver Überwachung verband. Ziel der Untersuchung ist es, die Art und Weise der sozialen Kontrolle durch die poststalinistische Sicherheitspolizei sichtbar zu machen, sie in ihrer Praxis zu beschreiben und zu bewerten. Untersucht wird, inwieweit ihr verdeckter Charakter sowie die dosierte, variable und differenzierte Repression die Wahrnehmung des sowjetischen Systems durch die Bürger bestimmte und, so die Hypothese, wesentlich dazu beitrug, die politische Stabilität des Regimes in der zweiten Hälfte seiner Existenz zu sichern. Bei der Untersuchung des neuen Aktionsmodus der Sicherheitsorgane wird besonderes Augenmerk auf ihre „operative“ Tätigkeit neben der direkten Repression (Verhaftungen etc.) gelegt. Sie umfasste die Massenkontrolle durch Beobachtung, Bewertung und Disziplinierung politischer Abweichungen. Untersucht werden die ausgreifenden normativen Vorschriften und vor allem die Praxis der Einflussnahme, die sich als Mittel zur Ersetzung des staatlich sanktionierten Terrors herausgebildet haben. Diese Analyse soll eine neue Perspektive auf die Kontrollmechanismen der sowjetischen Gesellschaft als Ganzes und auf die Methoden zur Aufdeckung und Korrektur ideologischer Abweichungen eröffnen. Das Projekt basiert auf exemplarischen Fallstudien zu verschiedenen Sektoren der Sowjetgesellschaft, die die Praktiken des KGB offenlegen, den Verlauf seiner Operationen nachzeichnen und den Wandel seiner Arbeitsweise sowohl in Bezug auf die eingesetzten Mittel als auch auf die angestrebten Ergebnisse analysieren. Die Analyse der differenzierteren Reaktion auf politischen Dissens und der aktualisierten Vorgehensweise der Sicherheitsorgane soll unser Verständnis für die Funktionsweise des Sowjetkommunismus in seiner Spätphase und für das erneute Aufleben des "Tschekismus" in der postsowjetischen Periode der russischen Geschichte erweitern, die in dem seit 2014 andauernden Angriffskrieg gegen die Ukraine kulminierte.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
