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Beteiligung des µ-Opioidsystems im Nucleus Accumbens an der Wahrnehmung von Schmackhaftigkeit und der Entwicklung vom Überessen
Antragsteller
Dr. Julian Hinz
Fachliche Zuordnung
Kognitive, systemische und Verhaltensneurobiologie
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 572335749
Dieses Projekt untersucht, wie das µ-Opioidsystem im Nucleus accumbens (NAc) hedonisches Fressverhalten beeinflusst und zur Entwicklung von Fettleibigkeit beiträgt. Während klassische Modelle die homöostatische Kontrolle über den Nucleus arcuatus (ARC) betonen, zeigen neuere Daten, dass insbesondere µ-Opioidrezeptoren (MORs) eine zentrale Rolle bei der übermäßigen Aufnahme schmackhafter Nahrung spielen. Diese Fehlregulation kann Fettleibigkeit einleiten und aufrechterhalten, oft unter Umgehung physiologischer Sättigungssignale. Fressverhalten entsteht aus der Interaktion zweier neuronaler Systeme: (1) homöostatische Schaltkreise, die über AgRP- und POMC-Neuronen im ARC das Energiegleichgewicht regulieren, und (2) hedonische Schaltkreise, darunter VTA, lateraler Hypothalamus (LH) und NAc, die auf sensorische und belohnungsbezogene Aspekte von Nahrung reagieren. β-Endorphine aus POMC-Neuronen aktivieren MORs in nachgeschalteten Regionen wie dem NAc. Diese Rezeptoren sind besonders stark in D1-exprimierenden medium spiny neurons (D1-MSNs) vertreten, die hemmend auf LH-Neuronen wirken, welche das Fressverhalten fördern. Die zentrale Hypothese ist, dass MOR-Aktivierung D1-MSNs hemmt, was die Aktivität im LH disinhibiert und die Nahrungsaufnahme steigert. Wiederholte Aktivierung könnte eine positive Rückkopplungsschleife erzeugen, die zwanghaftes Überessen begünstigt. Damit wird die klassische Vorstellung von POMC-Neuronen als appetitzügelnd hinterfragt und die β-Endorphin-MOR-Signalisierung als treibender Faktor hedonischer Aufnahme neu bewertet. Zur Überprüfung wird ein natürliches Fütterungsparadigma verwendet, bei dem Mäuse mit freiem Zugang zu Standard- und Schmackhaftfutter in operanten experimntalkäfigen gehalten werden. Mittels fiberphotometrie wird neuronale Aktivität in homöostatischen und hedonischen Netzwerken simultan in Echtzeit gemessen. Dieser Ansatz vermeidet Verzerrungen durch Kalorienrestriktion und bildet menschliches Überessen besser ab. Das Projekt verfolgt drei Ziele: Identifikation MOR-exprimierender Neuronen im NAc und Untersuchung, wie exogene und endogene Opioide deren Erregbarkeit und synaptischen Input modulieren (Patch-Clamp in MOR-Cre-Mäusen). Messung der Interaktionen zwischen ARC- und NAc-Aktivität während natürlicher Fütterung, um neuronale Dynamiken mit eskalierender Nahrungsaufnahme zu verknüpfen. Nachweis eines kausalen Zusammenhangs zwischen MOR-Signalisierung und Überessen durch genetische Knockouts oder chemogenetische Manipulation von MOR+ Neuronen. Diese Untersuchungen sollen zeigen, wie MOR-Signale im NAc den Übergang von bedarfsgetriebener zu belohnungsgetriebener Nahrungsaufnahme steuern. Durch Aufklärung der zugrunde liegenden Mechanismen bietet das Projekt eine Grundlage für gezieltere Behandlungsansätze gegen Fettleibigkeit - insbesondere da aktuelle Therapien wie GLP-1-Rezeptor-Agonisten langfristig oft unwirksam bleiben.
DFG-Verfahren
WBP Stipendium
Internationaler Bezug
Schweiz
Gastgeber
Professor Dr. Christian Lüscher
