Detailseite
Die Dekolonisierung des Chinins: Eine politische Geschichte der pharmazeutischen Industrie nach dem Ende der Imperien, 1945-1998
Antragsteller
Dr. Tristan Oestermann
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 573092035
Anhand des Malaria-, Herz- und Genussmittels Chinin und des zu seiner Herstellung nötigen Rohstoffs Chinarinde schreibt das Projekt eine politische Geschichte der Pharmaindustrie im „Globalen Süden“ im Zeitalter der Dekolonisierung. Es analysiert die Beziehungen Indonesiens und der Demokratischen Republik Kongo (bzw. Zaires), der größten Produzenten von Chinarinde, zu den europäischen Chininherstellern. Infolge der Dekolonisierung brachen die kolonialen, von einem Kartell aus Pharma- und Plantagenunternehmen beherrschten Produktions-, Distributions- und Konsumstrukturen von Chinin zusammen: Das Alkaloid und die Stellung europäischer Pharmakonzerne wurden Objekte von Aushandlungsprozessen zwischen einer Vielzahl von Akteur*innen. Das Projekt untersucht, warum europäische Pharmaunternehmen in diesem Prozess ihren Platz im Chiningeschäft behaupten konnten, obwohl Kongo/Zaire und Indonesien de facto ein Monopol auf Chinarinde und selbst Kapazitäten zur Herstellung von Chinin besaßen. Damit leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag zur bisher wenig empirisch erforschten Geschichte westlicher Unternehmen in der postkolonialen Welt – und so zur Frage, wie globale Ungleichheiten sich nach dem Ende der Imperien konkret fortschrieben. Dabei hinterfragt das Projekt das dichotome Narrativ von mächtigen Pharmakonzernen und ohnmächtigem „Globalen Süden“. Stattdessen macht es die vielen Produzent*innen globaler Ungleichheit nach dem Ende der Imperien sichtbar. Es verbindet auf innovative Weise Forschungen zur Geschichte von Pharmaindustrie, Dekolonisierung, Entwicklung, Globalem Kalten Krieg, „New International Economic Order“ und Ergebnisse der Business History. Es nutzt Pharmakonzerne als Sonde, um empirisch zu rekonstruieren, wie eine Vielzahl von Akteur*innen eine postkoloniale Ordnung aushandelte. Dabei blickt das Projekt auf die Rolle internationaler (krimineller) Kartelle und Monopole, mit Chinin verbundene Vorstellungen von Entwicklung sowie legale und illegale Praktiken politischer Einflussnahme. Hierzu stützt sich das Projekt auf eine breite Quellenbasis u.a. aus Archiven von Pharmakonzernen, Staaten, Entwicklungs- und Nichtregierungsorganisationen. Die Arbeitshypothese lautet, dass es den Pharmakonzernen gelang, ihre Profit- mit Entwicklungsinteressen postkolonialer Staaten sowie internationaler Organisationen, strategischen Interessen westlicher Regierungen, aber auch politischen oder monetären Privatinteressen lokaler Akteur*innen zu verbinden.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Demokratische Republik Kongo, Indonesien, Malaysia
Kooperationspartnerinnen / Kooperationspartner
Professor Dr. Nene Morisho Mwanabiningo, Ph.D.; Professor Dr. Godefroid Muzalia; Professor Dr. Pujo Semedi Hargo Yuwono; Professorin Dr. Shakila Yacob
