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Flexibilisierung durch Heimarbeit? Geschichte der Telearbeit in (West-)Deutschland und Frankreich.
Antragstellerin
Professorin Dr. Heike Weber
Fachliche Zuordnung
Wissenschaftsgeschichte
Förderung
Förderung seit 2025
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 573365024
Das Projekt „Flexibilisierung durch Heimarbeit? Geschichte der Telearbeit in (West-)Deutschland und Frankreich“ untersucht Heimarbeit um 1900 und Telearbeit ab den 1970er Jahren als flexible Arbeitsformen. Es geht erstens – im Rahmen einer Promotionsarbeit – darum, die Diskurse, Aushandlungen und Umsetzungen von Telearbeit in (West-)Deutschland und Frankreich zu untersuchen. Das Konzept der „Tele(heim)arbeit“ bzw. der „télétravail“ entstand vor über fünf Jahrzehnten und war seitdem mit emanzipatorischen Freiheitsversprechen an das spätmoderne Individuum ebenso wie mit Befürchtungen einer völligen Entgrenzung von Arbeit verbunden. Telearbeit verblieb lange Zeit in einer Nische, und zwar auch, als um 2000 die technische Basis weit verfügbar war. Erst im Zuge der COVID-19-Pandemie wurde im März 2020 für viele Büroarbeitende das eigene Zuhause von einem auf den anderen Tag zum alltäglichen Arbeitsplatz. Das Teilprojekt nutzt Telearbeit daher als Sonde, um mehr über die Prozesse, Auseinandersetzungen und Aushandlungen zu erfahren, die durch Flexibilisierung und Digitalisierung von Arbeiten und Produzieren ab dem späten 20. Jahrhundert ausgelöst wurden. Als „andere“, vom Normalarbeitsverhältnis der Nachkriegsdekaden abweichende Arbeitsform griff Telearbeit in basale gesellschaftliche und kulturelle Ordnungen, Normen und Werte des Arbeitens, Lebens und sozialen Miteinanders, darunter auch Konventionen der Reproduktionsarbeit, ein. Der Ländervergleich ermöglicht es, solche soziokulturellen Dimensionen über länderspezifische Unterschiede und Ähnlichkeiten besser greifen zu können. Neben der klassischen historischen Quellen- und Literaturauswertung wird Oral History als Methode eingesetzt, um Akteure aus Technikentwicklung, Politik und Unternehmen sowie Telearbeiter:innen zur Sprache kommen zu lassen, darunter auch solche Gruppen, die in den Quellen kaum Niederschlag gefunden haben. Zweitens wird die Telearbeit-Studie in enger Ver¬zahnung mit einer Untersuchung zu Heimarbeit um 1900 (Antragstellerin) durchgeführt. Das dezentrale Fertigen mittels Auslagerung in die Heimarbeit war ein wichtiges Standbein des Produzierens von frühen Massenkonsumgütern, auch wenn es als „rückständig“ galt. Detailliert wird dies für den Textilsektor der bergischen Region sowie die Berliner Konfektionsindustrie gezeigt. Der Verzahnung der beiden Studien dient ein gemeinsames Frageraster, das auf die Zusammenhänge zwischen der Flexibilisierung von Arbeit und Produktion mit Technik, mit der Organisation von Produktion und Arbeit sowie mit Gender und Intersektionalität abzielt. Ziel ist nämlich drittens, (Tele-)Heimarbeit in der longue durée zu betrachten. Das epistemische Potential des „Anderen“ dieser Arbeitsformen nutzend, werden wir die Standardnarrative zur modernen „Industrie“-, „Büro“- und „Normalarbeit“ mit den fluiden Erwerbsbiographien von Heimarbeitenden kontrastieren, unter denen Frauen und andere am Arbeitsmarkt benachteiligte Gruppen dominierten.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
