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Die Barriere(un)freiheit westdeutscher Städte. Die kommunalen ‚Behindertenpläne‘ der 1970er und 1980er Jahre im Spannungsfeld zwischen Betroffenenkritik, Ex-pert*innendiskurs und kommunalen Entscheidungslogiken

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung seit 2025
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 573551080
 
In den späten 1970er und frühen 1980er Jahren wurden in vielen westdeutschen Städten sogenannte Behindertenpläne aufgestellt, die u.a. das Ziel formulierten, gebaute Barrieren im öffentlichen und privaten Raum zu reduzieren. Die Pläne sollten soziale Rehabilitation sowie ein höheres Maß an gesellschaftlicher Teilhabe und Selbstbestimmtheit für Menschen mit Behinderungen ermöglichen. Mit der Analyse dieser 'Behindertenpläne' verfolgt das Projekt fünf Fragestellungen: Zunächst wird aus alltagsgeschichtlicher Perspektive untersucht, wie sich die gebaute Umwelt aus der Sicht der Betroffenen gestaltete, welche Barrieren ihre Lebenswirklichkeiten und Alltagsabläufe beeinflussten, ihre sozialen Kontakte und kulturellen Beteiligungsmöglichkeiten einschränkten. Hier gilt ein besonderes Augenmerk der Frage, inwieweit zwischen verschiedenen Gruppen behinderter Menschen zu differenzieren ist, ob beispielsweise gehbehinderte Menschen mit anderen Problemen konfrontiert waren als sehbehinderte Menschen. Zweitens steht die Selbstadvokation der Betroffenen im Zentrum: Es wird untersucht, wie sie das Thema der Barriere(un)freiheit in der Öffentlichkeit lancierten und wie sie ihre Interessen und Perspektiven bei der Erstellung der 'Behindertenpläne' einbrachten. Drittens soll der Beitrag von Expert*innen (u.a. Stadtplaner*innen) dahingehend analysiert werden, wann sie welche Barrieren (und damit auch welche Gruppe von Betroffenen) in den Blick nahmen und welche Lösungsvorschläge sie entwickelten - mithin werden wissenschaftliche Aufmerksamkeits- und Problematisierungskonjunkturen in Bezug auf Behinderung dargelegt. Viertens stehen die kommunalen Reaktionen auf die wachsende Kritik an den gebauten Barrieren im Fokus und insbesondere der Wandel der Zielsetzungen, die die kommunalen Entscheidungsträger mit den 'Behindertenplänen' verfolgten. An mikrogeschichtlichen Fallbeispielen sollen, fünftens, Interaktionsszenarien zwischen den genannten Akteursgruppen ebenso analysiert werden wie die Frage, warum viele Vorhaben scheiterten. Mithilfe dieser fünf Perspektiven wird die in der dis/ability history zentrale Frage nach der gesellschaftlichen Konstruktion von Behinderung gestellt, indem auf die Rolle der gebauten Umwelt bei eben dieser Konstruktion fokussiert wird. Zugleich wird der Forderung der dis/ability history Rechnung getragen, Menschen mit Behinderungen nicht nur als Objekte des Handelns nichtbehinderter Menschen, sondern als Subjekte ihrer eigenen Geschichte zu untersuchen, schließlich waren Betroffene intensiv am Diskurs zur Barriere(un)freiheit beteiligt. Des Weiteren kann das Projekt, indem es zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen mit Behinderten unterscheidet, einen Beitrag zu einer differenzierteren Betrachtung der Geschichte verschiedener Betroffenengruppen leisten. Und nicht zuletzt rückt das Projekt eine Ungleichheitskategorie in den Blick, die von der bisherigen Forschung zur Geschichte urbaner sozialer Ungleichheiten kaum beachtet wurde.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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