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Untersuchung des Einflusses unterschiedlicher physikalischer Konzepte auf den Wissenserwerb in der Thermodynamik der gymnasialen Mittelstufe

Fachliche Zuordnung Allgemeines und fachbezogenes Lehren und Lernen
Förderung Förderung von 2007 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 58426521
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Erlernen von physikalischen Konzepten und Begriffen gilt für viele Lernende als schwierig. Neben einer zu erbringenden hohen Abstraktionsleistung erweisen sich physikalische Konzepte für Lerner gegenüber den Alltagsvorstellungen oft als wenig plausibel und erklärungsmächtig. Die empirische physikdidaktische Forschung hat die Rolle physikalisch-fachlicher Konzepte in Lehr-Lern-Arrangements, die einen Wechsel zu physikalischen Konzepten begünstigen sollen, bislang nur wenig untersucht. Angesichts des Primats des konstruktivistischen Paradigmas wären mögliche Effektstärken der inhaltlichen Aspekte zudem auch eher als klein einzuschätzen. Eine fachliche Analyse der Modelle und Theorien der Physik zeigt jedoch, dass über die physikalische Sachstruktur Einfluss auf das Physiklernen genommen werden könnte: Entgegen der intuitiv-plausiblen Annahme, dass physikalische Konzepte eindeutig sind, können gleiche Phänomenbereiche mit unterschiedlichen Konzepten und Begriffen beschrieben werden, die mit unterschiedlichen physikalischen Größen argumentieren. Physikalisch sind diese Beschreibungen natürlich äquivalent. Lernpsychologisch unterscheiden sie sich aber und erlauben unterschiedliche Zugänge zu den Alltagsvorstellungen. In der vorliegenden Untersuchung wurde am Beispiel der einfachen Thermodynamik – oder auch kurz der Wärmelehre – zum ersten Mal ohne die Konfundierungen des Unterrichts gezeigt, dass die physikalische Sachstruktur den Wissenserwerb in der Sekundarstufe I (Gymnasium und Realschule, Klassenstufe 9) mit mittlerer Effektstärke beeinflusst. Hierfür wurde eine entropischen Wärmelehre und mit einer energetisch-akalorischen Wärmelehre verglichen. Die entropische Wärmelehre knüpft an die mengenartigen oder extensiven Aspekte der Alltagsvorstellung Wärme an; das Substantiv Wärme wird in die physikalische Größe Entropie umgedeutet. Die akalorische Wärmelehre verwendet das Substantiv Wärme in der Fachsprache nicht; an die mengenartigen Aspekte der Alltagswärme knüpft der Terminus thermische Energie an. Die entropische Wärmelehre bringt das Problem mit sich, dass in ihr zwar eine richtige physikalische Deutung der Entropie verwendet wird, diese aber in der Physik nicht zum kanonischen Wissen gehört. Die Messung der Variablen physikalische Sachstruktur in den beiden genannten Ausprägungen gelingt durch eine instruktional ausgerichtete computergestützte Lernumgebung und standardisierte Übungen, mit denen die Lehrervariable ausgeschlossen und der Unterricht auf individuelle Lernprozesse reduziert wird. Der Aufbau von mentalen Repräsentationen wird dabei überwiegend mit Texten und Bildern induziert. Die Texte der entropischen und akalorischen Wärmelehre unterscheiden sich im Wesentlichen nur in einer kurzen Einführung des allgemeinen physikalischen Begriffs Energie bei der akalorischen Wärmelehre und in der Verwendung der Termini Entropie und thermische Energie. Es handelt sich somit um eine sehr schwache Intervention, die im Wesentlichen durch die Verwendung einiger weniger unterschiedlicher Worte getragen und zu einem mittleren Effekt führt: Schülerinnen und Schüler erzielen mit der entropischen Wärmelehre einen relevanten und stabilen höheren Wissenszuwachs als mit der akalorischen Wärmelehre. Da sich die Instruktion überwiegend in den verwendeten Fachtermini unterscheidet, die aber beide an die mengenartigen Aspekte der Alltagsvorstellungen der Wärme anknüpfen, liegt die Vermutung nahe, dass die unterschiedlichen semantischen Bedeutungshöfe der beiden Termini der entscheidende Mechanismus bei der Anknüpfung an die Alltagsvorstellungen sind. Zur Entropie assoziieren die Schülerinnen und Schüler nicht, während die thermische Energie die bekannten vielfältigen Assoziationen aufweist. Damit könnte ein plausibler Mikromechanismus beim Physiklehren und –lernen identifiziert sein. Als überraschend hat sich die starke Wirksamkeit der direkten verbal basierten Instruktion herausgestellt. Bislang werden erfolgreiche Konzeptwechsel eher durch eine adaptive Unterstützung von eigenständigen Konstruktionsprozessen bei den Lernenden erreicht.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2009). Schülervorstellungen zur Energie - Eine Replikationsstudie. In: V. Nordmeier & H. Grötzebauch (Hrsg.), Tagungsband-CD DPG – Bochum 2009, Didaktik der Physik. Berlin: Lehmanns Media
    Crossley, A., Hirn, N. & Starauschek, E.
  • (2010). Hat die physikalische Sachstruktur einen Einfluss auf das Lernen von Physik? In: D. Höttecke (Hrsg.), Entwicklung naturwissenschaftlichen Denkens zwischen Phänomen und Systematik. GDCP-Tagung in Dresden 2009. LIT, S. 36-55
    Starauschek, E.
  • (2010). Zum Einfluss physikalischer Größen auf den Wissenserwerb beim Physiklernen in der einfachen Thermodynamik. PhyDid B, DPG – Hannover 2010, Didaktik der Physik
    Crossley, A. & Starauschek, E.
  • (2011). Beeinflusst die Wahl der physikalischen Größen den Wissenserwerb beim Physiklernen? In: D. Höttecke (Hrsg.), Naturwissenschaftliche Bildung als Beitrag zur Gestaltung partizipativer Demokratie, Tagungsband GDCP – Potsdam 2010. Berlin: LIT, S. 327-329
    Crossley, A. & Starauschek, E.
  • (2011). Hat die physikalische Sachstruktur einen Einfluss auf das Lernen von Physik? In: H. Bayrhuber, U. Harms, B. Muszynski, B. Ralle, M. Rothgangel, L. Schön, H. Vollmer & H. Weigand (Hrsg.), Empirische Fundierung in den Fachdidaktiken. Münster: Waxmann, S. 217-239
    Starauschek, E.
  • (2012). The impact of physical explanations on secondary students' knowledge acquisition in thermodynamics. In: C. Bruguière, A. Tiberghien & P. Clément (Ed.), Science learning and Citizenship, Proceedings Of The ESERA 2011 Conference, Lyon France
    Crossley, A. & Starauschek, E.
  • (2012). Untersuchung des Einflusses unterschiedlicher physikalischer Konzepte auf den Wissenserwerb in der Thermodynamik der Sekundarstufe I. Berlin: Logos Verlag
    Crossley, A.
 
 

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