Simulation und Visualisierung der Montage von Bauteilen mit nichtidealer, toleranzbehafteter Geometrie
Final Report Abstract
Real gefertigte Bauteile und Produkte besitzen stets unvermeidbare Abweichungen von der gewünschten Idealgestalt. Durch Festlegung von Toleranzen wird bestimmt, welche geometrischen Abweichungen der Fertigung noch zulässig sind. Die Toleranzdefinition muss dabei die Montierbarkeit aller Einzelteile und die Funktionserfüllung des Produkts garantieren. Weiterhin ist in manchen Bereichen das ästhetische Aussehen des Produkts von Bedeutung. Da das Einhalten von sehr engen Toleranzen meist zusätzliche Kosten in der Fertigung und Qualitätssicherung verursacht, ist es Aufgabe der Produktentwicklung, bei der Toleranzvergabe einen Kompromiss zu ermitteln. Die geometrischen Zusammenhänge, die sich aus dem Zusammenwirken der Toleranzzonen von Maß-, Form- und Lagetoleranzen ergeben, sind außerordentlich komplex. Nur für einfache Funktionszusammenhänge sind die Auswirkungen der vergebenen Toleranzen durchschaubar und händisch berechenbar. Stand der Technik ist daher der Einsatz statistischer Toleranzanalyseprogramme, die Geometrie und Montagevorgänge stark abstrahiert abbilden (beispielsweise als Vektorketten). Bei dieser Art der Toleranzsimulation besteht ein hoher Aufwand in der Modellbildung. Einige real auftretende Effekte und Probleme werden aufgrund der Abstraktion nicht abgebildet. Im vorliegenden Projekt wurden neue Modelle und Verfahren entwickelt, um Toleranzauswirkungen bei der Montage von Bauteilen abzubilden und zu analysieren. Die entwickelten Techniken wurden anhand prototypischer Software umgesetzt und überprüft. Die entwickelte Vorgehensweise basiert auf dem Generieren von nichtidealen Einzelteilen. Dreiecksnetze wurden als flächenorientierte Form der Volumenrepräsentation gewählt. Die Verformung der Idealgeometrie konnte durch stochastische Variation innerhalb der Toleranzgrenzen und alternativ durch stochastische Fertigungssimulation realisiert werden. Da die nichtidealen virtuellen Bauteilvarianten nicht mehr exakt gefügt werden können, ist eine Neupositionierung der Teile relativ zueinander nötig. Hierzu wurde ein vom Lehrstuhl für Konstruktionstechnik entwickeltes Verfahren zur Relativen Positionierung weiterentwickelt und beschleunigt. Durch Parallelisierung und Detailverbesserungen benötigt die Simulation nur noch einen Bruchteil der Rechenzeit. Das Optimierungsverfahren ist nun in der Lage, zahlreiche in der Praxis auftretende Positionierungsschemata abzubilden. Neben der Relativen Positionierung ist die Überprüfung des Montageablaufs auf Kollisionen notwendig. Für diese Aufgabe wurden automatische Pfadplanungsalgorithmen als geeignet identifiziert. Damit diese zur zuveriässigen statistischen Analyse einsetzbar sind, mussten Erweiterungen und Anpassungen existierender Pfadplanungsalgorithmen konzipiert und implementiert werden. Zum Postprocessing der Ergebnisse wurden sowohl graphische als auch haptische Verfahren entwickelt. Mit einem haptischen Force-Feedback-Gerät kann die nichtideale Geometrie vom Benutzer virtuell „berührt" werden, um so Geometriedefekte mit hoher Auflösung zu ertasten. Gesteuert wird das Haptik-Gerät von einer Echtzeit-Physiksimulation. In Versuchen wurde die erreichbare Genauigkeit des entwickelten Systems für typische Spalt- und Versatzuntersuchungen ermittelt. Zur graphischen Analyse abweichungsbehafteter Baugruppen wurden zwei Verfahren entwickelt: Über automatische Abstandsmessungen lassen sich Abweichungen zur Idealgestalt darstellen. Durch weiterentwickelte Verfahren der Volumenvisualisierung können statistische Aussagen über die (durch Fertigungs- und Montageabweichungen entstehende) geometrische Schwankungsbreite getroffen werden. Die neu entwickelten Techniken sind in der Lage, nicht nur Regelgeometrie sondern auch allgemeine Dreiecksnetze als Starrkörper in Volumendatensätze zu überführen. Des Weiteren können Kollisionswahrscheinlichkeiten von tolerierten Bauteilen ermittelt und graphisch dargestellt werden. Zielsetzung der entwickelten Verfahren ist es, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Aussagen bezüglich der Auswirkung von Toleranzen zu erhalten. Die Simulationsverfahren können durch die detaillierte geometrische Abbildung von Abweichungen reale Probleme (z.B. Kollisionen beim Montagevorgang, ästhetische Produktmängel) umfassender und weitreichender als bisher vorhersagen. Nötige Anpassungen (z.B. Änderung von Toleranzwerten) können aufgrund der Simulationsergebnisse vor der Prototypenfertigung durchgeführt werden, wodurch Kosteneinsparungen möglich sind und die erreichte Produktqualität steigt. Da sich die vorgeschlagene Toleranzsimulation aufgrund des detaillierten Geometriemodells stark von den industriell eingesetzten Verfahren unterscheidet, ist aktuell eine ergänzende Nutzung der entwickelten Techniken denkbar. Zur alleinigen Anwendung der geometrieorientierten Toleranzanalyse und Ablösung der abstrakten statistischen Toleranzsimulation ist weitere Forschungsarbeit von Nöten. Für das Generieren nichtidealer Bauteilvarianten anhand der Toleranzdefinition müssen die bestehenden Ansätze erweitert werden. Weiterer Forschungsbedarf besteht bei der Kollisionsüberprüfung des Montagepfades für nachgiebige Bauteile. Hier muss es gelingen, das Steifigkeitsverhalten (in Abhängigkeit von Geometrie, Material und Kinetik) mit geringem Rechenaufwand korrekt abzubilden.
Publications
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Assembly simulation for toleranced parts: An adapted path planning approach. 17th International Conference on Engineering Design ICED'09, Universität Stanford, Palo Alto, 2009, S.359-370
Wittmann, S.; Winter M.; Paetzold, K.
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Stockinger, A.; Wittmann, S.; Martinek, M.; Wartzack, S.; Meerkamm, H.