Untersuchung zellmechanischer Eigenschaften einzelner Mikroorganismen als Beitrag zur Bioprozessintensivierung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Bereits in der ersten Antragsphase wurden lokale und globale Methoden zur Messung und Interpretation biologischer Materialeigenschaften, insbesondere am Beispiel von S. cerevisiae, mittels Rasterkraftmikroskop und Nanoindenter erfolgreich etabliert. Hier standen vor allem die Einflüsse von Mess- und Umgebungsparametern wie Messposition, Beanspruchungsgeschwindigkeit, Mehrfachbeanspruchungen, pH-Wert und osmotischer Druck sowie die Verteilung der Eigenschaften in einer Population im Vordergrund. Mit Hilfe der hochempfindlichen Geräte, die zur Messung eingesetzt wurden und werden, konnten - zumindest hinsichtlich der globalen Messverfahren - die weltweit genauesten Ergebnisse in diesem Bereich erzielt werden. Insbesondere die starke Abhängigkeit der Berstenergien vom osmotischen Druck war ein wichtiges Ergebnis. In der zweiten Antragsphase wurden die experimentellen Untersuchungsmethoden verfeinert (z.B. Temperatureinfluss) und die Messungen auf weitere Organismen ausgedehnt. Lokale Untersuchungen wurden an E. coli und B. megaterium durchgeführt, in den globalen Experimenten wurde C. vulgaris verwendet, da die beiden Bakterien kaum Berstereignisse zeigten und somit keine quantitative Korrelation der Daten mit den Zellaufschlussergebnissen möglich war. Um das Ziel der Bioprozessintensivierung zu erreichen, wurde am Beispiel von Hefe zudem der Einfluss von Kultivierungsparametern (Rührergeschwindigkeit, Begasungsrate, Nährstoffangebot, pH und Temperatur) auf die mechanischen Eigenschaften, insbesondere Berstkraft und -energie untersucht. Das überraschende Ergebnis dieser Untersuchungen war, dass die mechanische Beanspruchung im untersuchten Bereich keinen Einfluss auf die Festigkeit der Zellen hatte. Bei Betrachtung aller Parameter wurde als gemeinsamer Einflussfaktor jedoch die Wachstumsrate identifiziert. Mit einer kontinuierlichen Kultur mit festgelegten Wachstumsraten konnte dieser Einfluss verifiziert werden. Schnell wachsende Zellen weisen eine deutlich geringere Festigkeit auf. Ergebnisse lokaler und globaler mikromechanischer Messungen sind immer eine Antwort einer ganzen Zelle auf die Messung. Um aus diesen Ergebnisse die Eigenschaften der Zellwand zu berechnen, wurden die Messungen mittels FEM simuliert. Die Ergebnisse zeigten, dass ein hyperelastisches Materialmodell zur Beschreibung der Zellwandeigenschaften eingesetzt werden kann. Da dem Modell allerdings noch wichtige Parameter wie die Volumenkonstanz der Zelle fehlten, konnten keine absoluten Werte für das E-Modul der Zellwand aus den Simulationen berechnet werden. Dies gelang jedoch mit der Entwicklung zweier analytischer Modelle, so dass den Zellwänden von Hefe und C. vulgaris ein E-Modul, abhängig von der Turgor Vorspannung, zugeordnet werden konnte. Um den Effekt der veränderlichen mechanischen Eigenschaften im Zellaufschlussverhalten quantifizieren zu können, wurden Zellaufschlussversuche mit Hefe und C. vulgaris in einer Rührwerkskugelmühle und einem Hochdruckhomogenisator durchgeführt und mit den mechanischen Eigenschaften korreliert. Bei diesen Messungen wurde der Einfluss der veränderten Zelleigenschaften deutlich: allein durch die Einstellung des osmotischen Drucks konnte die Zellaufschlusseffizienz im Hochdruckhomogenisator bei 1000 bar bei gleichem Energieeintrag von 70% auf 90% gesteigert werden. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in diesem Projekt die Materialeigenschaften verschiedener Zellwände sowie die Einflussparameter auf dieselben erfolgreich bestimmt werden konnten. Zudem gelang eine Korrelation der zellmechanischen Eigenschaften mit den technologischen Eigenschaften am Beispiel des Zellaufschlusses. Somit wurden die drei oben genannten Ziele erreicht und wertvolle Erkenntnisse für die Bioprozessintensivierung gewonnen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2008): Compressive testing of single yeast cells in liquid environment using a nanoindentation system. In: J. Mater. Res. 23 (12), S. 3153–3160
Arfsten, J.; Bradtmöller, C.; Kampen, I.; Kwade, A.
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(2009): Mechanical testing of single yeast cells in liquid environment: Effect of the extracellular osmotic conditions on the failure behavior. In: IJMR 100 (7), S. 978–983
Arfsten, Judith; Kampen, Ingo; Kwade, Arno
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(2010): Atomic force microscopy studies on the nanomechanical properties of Saccharomyces cerevisiae. In: Colloids and surfaces. B, Biointerfaces 79 (1), S. 284–290
Arfsten, Judith; Leupold, Stefan; Bradtmöller, Christian; Kampen, Ingo; Kwade, Arno
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(2014) CFD-Discrete Element Method Simulations Combined with Compression Experiments to Characterize Stirred- Media Mills. Chem. Ing. Tech 37(5): 770-778
S. Beinert, C. Schilde, G. Gronau, A. Kwade
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(2015): Mechanical characterization of yeast cells: effects of growth conditions. In: Letters in applied microbiology 61 (4), S. 333–338
Overbeck, A.; Kampen, I.; Kwade, A.
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(2016): Micromechanical Properties and Energy Requirements of the Microalgae Chlorella vulgaris for Cell Disruption. In: Chem. Eng. Technol. 39 (9), S. 1693–1699
Günther, Steffi; Gernat, Deborah; Overbeck, Achim; Kampen, Ingo; Kwade, Arno
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(2017): Compression Testing and Modeling of Spherical Cells - Comparison of Yeast and Algae. In: Chem. Eng. Technol. 40 (6), S. 1158–1164
Overbeck, Achim; Günther, Steffi; Kampen, Ingo; Kwade, Arno
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(2018): Predicting effects of operating condition variations on breakage rates in stirred media mills. In: Chemical Engineering Research and Design 138, S. 433–443
Fragnière, Greta; Beinert, Stefan; Overbeck, Achim; Kampen, Ingo; Schilde, Carsten; Kwade, Arno