Validierung globaler numerischer Analysen an realen Abbruchsprengungen und Entwicklung geeigneter Versagenskriterien für die Analyse von Sprengabbrüchen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Sprengung eines Bauwerks durch gezielten Einsatz von Explosivstoffen ist bei sehr hohen und großen Gebäuden besonders effektiv und wirtschaftlich. Voraussetzung ist jedoch, dass die Sprengung planmäßig verläuft, d.h. Fehlsprengungen und damit Schäden an der bebauten Umgebung vermieden werden oder - wesentlicher - Gefährdung von Leib und Leben von Menschen sicher ausgeschlossen werden kann. Trotz des in der Praxis inzwischen vorhandenen Erfahrungswissens, stellen Sprengungen von komplexen Bauwerken heute immer noch eine große Herausforderung dar. Mit derartigen Sprengungen verbinden sich oftmals bislang unbekannte Problemstellungen, wie etwa „außergewöhnliche“ Tragkonstruktionen, örtlich schwierige Rahmenbedingungen, aber auch Unsicherheiten und Unwägbarkeiten bezüglich der anzunehmenden Materialdaten bzw. der konstruktiven Details. Zu dem Themengebiet der Analyse des Kollapsvorganges von Gebäudestrukturen waren bis zum Zeitpunkt der Antragstellung nur wenige wissenschaftliche Veröffentlichungen auffindbar. Meist stehen innerhalb dieser Veröffentlichungen die Fragestellungen der Belastung bzw. der Einwirkung infolge Detonation bei terroristischen Anschlägen auf die Gebäudestruktur im Vordergrund. Derartige Einwirkungen unterscheiden sich jedoch gänzlich von denen einer kontrollierten Abbruchsprengung, in der gezielt Tragwerksteile aus der Struktur entfernt werden bzw. auch vorgeschwächt werden. Oft wird der Fokus auf die Analyse der Schädigung und die Prognose des Versagens der Struktur ohne eine weitere Betrachtung des Kollapsverlaufes gelegt. Beim Abbruchsprengen stehen aber vor allem der Kollapsmechanismus und die Kollapskaskade im Vordergrund des Interesses. Selten werden ähnliche Fragestellungen wie beim kontrollierten Sprengen aufgegriffen, die sich aber auf zwei-dimensionale Analysen oder Analysen mit Strukturelementen - ausschließlich Balken und Stützen - beschränken. Für die angestrebte Prognosequalität bei Sprengungen muss zwingend die Dreidimensionalität berücksichtigt werden, um die während des Kollapsvorganges wichtigen räumlichen Kontakte zwischen den Strukturteilen korrekt abzubilden. Eine Modellierung auf Basis von einfachen Strukturelementen ist daher nur eingeschränkt tauglich. Innerhalb eines Teilprojektes wurden einerseits die maßgeblichen Phänomene, die während der Sprengung eines Gebäudes und des darauf folgenden Kollapses auftreten, herausgearbeitet und die bisherigen Analysemethoden um wesentliche und notwendige Algorithmen und Modelliertechniken erweitert, um aussagekräftige bzw. validierte Analysen zu erhalten. Andererseits wurden in Kooperation mit den anderen Teilprojekten Hinweise erarbeitet, um eine sinnvolle Modellierung mit Mehrkörpersystemen zu erreichen sowie unscharfe Analysen bezüglich Daten und Methoden zu ermöglichen. Mit den verhältnismäßig detaillierten Berechnungsmodellen wurden effiziente Analysen von ganzheitlichen Bauwerksstrukturen unter der Einbeziehung der räumlichen Dreidimensionalität und der daraus resultierenden realistischen Abbildung des Kontaktes der einzelnen Strukturteile während des Kollapsvorganges erzielt. Des Weiteren wurden die Möglichkeiten der Abbildung des Strukturversagens anhand zweier unterschiedlicher Methoden untersucht. Zentrales Anliegen war dabei die Erhöhung der Prognosequalität globaler Modelle mit Hilfe einer Verifikations- und Validierungsprozedur bei gleichzeitig noch guter Effizienz. Die für eine Analyse unverzichtbare Möglichkeit der Trennung von Strukturteilen während des Kollapses wurde in der Simulation a) durch Elementerosion und b) durch Verfahren zur Elementtrennung realisiert. Die Untersuchung dieser beiden Modelliertechniken ergab einerseits eine ausreichende Prognosequalität der Methode der Elementerosion bei weiten Teilen der Kippkollapssprengungen, andererseits erwies sich die Elementerosion als unbrauchbar für allgemeine vertikale Kollapsvorgänge. Numerisch erheblich aufwändiger jedoch universeller einsetzbar ist die Methode der Knoten-Trennung („node split“). Diese ermöglicht speziell für die Analyse von vertikalen kollabierenden Gebäuden eine höhere Abbildungsqualität, da keine algorithmischen Artefakte wie die Volumenverluste bei der Elementerosion auftreten. Das zentrale Ergebnis sind die validierten Modelle von Gesamtstrukturen und die damit durchgeführten Analysen. Für das von der Forschergruppe gemeinsam ausgewählte Portfolio von insgesamt fünf Referenzmodellen wurden umfangreiche Untersuchungen zur Qualität der Abbildung bezüglich realer Vorgänge durchgeführt, um die Funktionstüchtigkeit der Modelliertechniken und Algorithmen sicherzustellen. Die Abbildung des lokalen Versagens durch Knoten-Trennung ermöglichte die Simulation von vertikalen Kollapssequenzen als eines der zentralen Ergebnisse. Als typischer realer Fall eines solchen Kollapses wurde die Sprengung des Sparkassenhochhauses in Hagen simuliert. Die Validierung dieser Simulation anhand von Videodaten zeigte, dass auch für diesen komplexen Kollaps mit einer dreiachsigen Kinematik mit relativ wenigen Annahmen hinsichtlich des Versagens gute Ergebnisse geliefert werden können. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse waren außerdem grundlegend für die Erstellung der speziellen Mehrkörpermodelle eines weiterenTeilprojekts. Außerdem dienten diese Modelle auch zur Untersuchung des Kollapsverlaufes bei unscharfen Eingangsgrößen. Arbeitsbedarf besteht insbesondere noch im Gebiet der Modellierung des lokalen Versagensmechanismus, der eindeutig an den Elementknoten ausgerichtet ist. Eine verfeinerte Abbildung auch der Versagenskriterien z.B. mit der Möglichkeit Duktilität im Nachbruchverhalten zu simulieren ist sicherlich erforderlich. Damit könnten in Kooperation mit ausgewiesenen Experten aus der Praxis detaillierte Methoden zur Analyse von Sprengstrategien und deren Optimierung erarbeitet werden. Außerdem sollten weitere Sprengungen wissenschaftlich aufgenommen werden, um die Fragestellungen im Rahmen des Projektportfolios zu ergänzen. Dadurch könnten auch wesentliche Phänomene einer Sprengung (z.B. Absicherung des Kippens in die gewünschte Richtung) besser als bislang validiert werden. Des Weiteren lassen sich die genutzten Methoden und Algorithmen im Prinzip ebenfalls für Prognosen des Gebäudeverhaltens infolge Belastung aus Unfällen oder terroristischen Anschlägen nutzen, aus denen dann notwendige Sicherungsmaßnahmen abgeleitet werden können. Die durch mehrere validierte Simulationen gewonnene Erfahrung ist von großem Nutzen für Ingenieurbüros im Sprenggewerbe, da damit ermöglicht wird, verschiedene Kollapsszenarien zu prüfen und damit ein robustes Simulationskonzept zu entwickeln. Außerdem können die entwickelten Modelle auch für dynamische Analysen von Strukturen, insbesondere von monolithischen Bauwerken unter Erdbebenbelastung und in gewissen Umfang ebenfalls für alternative Schadensprognosen und Kollapskaskaden genutzt werden. Zudem, in Kombination mit der Arbeit der anderen Teilprojekte, können die Ergebnisse zur Weiterentwicklung eines - bereits im Rahmen des Transferprojektes entwickelten - Softwarewerkzeugs für die Praxispartner beitragen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Modeling structural failure with finite element analysis of controlled demolition of buildings by explosives using LS- DYNA: High Perfomance Computing in Science and Engineering '09, W. E. Nagel, D. Kröner, M. Resch (Eds.), pp. 539-551, Springer, (2009)
G. Michaloudis, G. Blankenhorn, S. Mattern, K. Schweizerhof
- Computer simulation for building implosion using LS-DYNA: High Perfomance Computing in Science and Engineering '10, W. E. Nagel, D. Kröner, M. Resch (Eds.), pp. 539-551, Springer, (2010), pp. 519-528
G. Michaloudis, S. Mattern, K. Schweizerhof
- Computersimulation für Bauwerkssprengungen-ein Einblick in laufende Arbeiten: Sprenginfo 32, Nr 01, 27-35 (2010)
D. Hartmann, M. Breidt, T. Sikiwat, G. Michaloudis, K. Schweizerhof, B. Möller, W. Graf, A. Piotrow