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Aufklärung und Funktion des Darmpeptidoms in Bezug zu Nahrungsaufnahme und Stoffwechsel bei Drosophila und landwirtschaftlich/medizinisch relevanten Diptera

Fachliche Zuordnung Biochemie und Physiologie der Tiere
Förderung Förderung von 2008 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 79050161
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Für Tiere ist die Aufrechterhaltung des Stoffwechsels und interner Energiedepots zentral für das Überleben. Bei Säugern ist daran ein komplexes Signalnetzwerk beteiligt, das Nervensystem, Verdauungstrakt, Bauchspeicheldrüse und Fettgewebe mit einschliesst. Diese Gewebe tauschen stoffwechselrelevante Informationen mit Hilfe kleiner Eiweisse (Peptide) aus, die als Neuropeptide im Nervensystem oder Peptidhormone in endokrinen Zellen hergestellt werden und an spezifische Rezeptoren an entsprechenden Zielzellen binden. Auch bei Insekten ist die wichtige steuernde Rolle von Neuropeptiden bei Nahrungssuchverhalten, Nahrungsaufnahme und Metabolismus belegt. Allerdings bestand kein umfassender Überblick darüber, welche Peptide überhaupt durch die endokrinen Zellen des Mitteldarms hergestellt werden ist. Auch war nur sehr wenig über die Funktion von Peptiden aus endokrinen Zellen des Verdauungstrakt der Insekten bekannt. Dienen sie wie bei Säugern der Kommunikation zwischen Darm, Gehirn und Fettkörper? Signalisieren sie dem Insekt Hunger, Sättigung oder Nahrungsqualität? Beeinflussen sie das Verhalten? In diesem Projekt haben wir die Darmpeptide des genetischen Modellorganismus Drosophila melanogaster (Taufliege) und des holarktisch verbreiteten landwirtschaftlichen Schädlings Delia radicum (Kleine Kohlfliege) mittels Massenspektrometrie biochemisch charakterisiert. Interessanterweise werden alle der über 20 verschiedenen Peptide aus den endokrinen Darmzellen auch durch Nervenzellen im zentralen Nervensystem hergestellt – sie stellen daher „brain-gut“-Peptide dar. Durch Immunfärbungen konnten wir die genaue Verteilung einiger dieser Peptide im Mitteldarm der beiden Fliegenarten darstellen. Durch diese Arbeiten zeigte sich, daß sowohl das Peptidrepertoire („Peptidom“) sowie die Peptidverteilung im Verdauungstrakt der beiden Fliegenarten sehr ähnlich ist. Damit erscheint die durch genetische Werkzeuge sehr gut experimentell zugängliche Taufliege als ein gutes Modell auch für landwirtschaftlich bedeutende Fliegenschädlinge wie der Kohlfliege dienen zu können. Als nächsten Schritt wollten wir die Funktion ausgewählter Vertreter der „brain-gut“-Peptide bei der Nahrungsaufnahme und Laufaktivität (die mit Nahrungssuchaktivität in Zusammenhang steht) durch neurogenetische Verhaltensassays in der Taufliege untersuchen. Zentral dabei war die Frage, ob die gleichen Peptide gewebsspezifische Funktionen haben, je nach dem ob sie aus dem Darm oder dem Nervensystem stammen. Dabei haben wir uns auf die Peptidfamilien der sogennanten Allatostatine A (AstA) und der Myoinhibitorischen Peptide (MIP) fokussiert. Während wir durch neurogenetische Versuche keine signifikante Rolle bei den untersuchten Verhalten für MIP finden konnten, so zeigte sich ein stark fraßinhibierender und schlaffördernder Effekt von AstA sowie ein hemmender Einfluß auf die Mitteldarmmotilität. Aktivierung des Allatostatin-Rezeptor-Homologs in Säugern (Galanin-Rezeptor) führt interessanterweise zu einem sehr ähnlichen Wirkungsspektrum, was auf eine evolutiv bewahrte Funktion dieses Signalwegs hindeutet. Zusammen genommen führt dies zur Hypothese, daß ein Anschalten des AstA-Signalwegs in Gehirn und Darm zu einem Zustand des Ruhens und Verdauens führt („rest-and-digest“). Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, daß dieser Effekt von AstA durch die Innere Uhr im Gehirn moduliert werden kann und dadurch über den Tagesverlauf zunimmt und am Abend am stärksten ist. Unsere Ergebnisse wurden durch die Pressestelle der Uni Würzburg aufgegriffen: „Was Larven hungrig macht“: http://www.presse.uni-wuerzburg.de/einblick_archiv/archiv2012/einblick1205/wegener0/12 „Hungerbremse mit Nebenwirkung": http://www.presse.uni-wuerzburg.de/einblick/single/artikel/hungerbremse-mit-nebenwirkungen-2/ Dieser Artikel wurde breit wahrgenommen (Publikation in der lokalen Tageszeitung MainPost, verschiedene wissenschaftliche News-Verteiler und wöchentliche News-Email des Verbands der Biologen VBio).

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2011) Peptidomics and peptide hormone processing in the Drosophila midgut. Journal of Proteome Research 10: 1881-1892
    Reiher W, Shirras C, Kahnt J, Baumeister S, Isaac RE, Wegener C
  • (2012) Peptidomics of the agriculturally damaging larval stage of the cabbage root fly Delia radicum (Diptera: Anthomyiidae). PLoS ONE 7: e41543
    Zoephel J, Reiher W, Rexer KH, Kahnt J, Wegener C
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1371/journal.pone.0041543)
  • (2014) Peptidomics and peptide processing in the fruit fly Drosophila melanogaster. EuPA Open Proteomics 3:114-127
    Pauls D, Chen J, Reiher W, Vanselow JT, Schlosser A, Kahnt J, Wegener C
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.euprot.2014.02.007)
  • (2015) Chemical identity, function and regulation of enteroendocrine peptides in insects. Current Opinion in Insect Science 11:8-13
    Wegener C, Veenstra JA
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.cois.2015.07.003)
  • (2016) Allatostatin A signalling regulates feeding and sleep and is downstream of PDF-signaling in Drosophila. PLOS Genetics 12: e1006346
    Chen J, Reiher W, Hermann-Luibl C, Sellami A, Cognigni P, Kondo S, Helfrich-Förster C, Veenstra JA, Wegener C
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1371/journal.pgen.1006346)
  • (2018): Metabolic Labeling to Quantify Drosophila Neuropeptides and Peptide Hormones. In: Methods in molecular biology (Clifton, N.J.) 1719, S. 175–185
    Kunz TO, Chen J, Megha, Wegener C
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-1-4939-7537-2_11)
 
 

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