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LINE-Retrotranspositions-Phylogenie der Vögel (Aves)

Applicant Privatdozent Dr. Jürgen Schmitz, since 3/2009
Subject Area Evolutionary Cell and Developmental Biology (Zoology)
Term from 2008 to 2013
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 80218076
 
Final Report Year 2013

Final Report Abstract

Die Phylogenie der Vögel ist ein faszinierendes, aber auch zum großen Teil noch ungeklärtes Gebiet zoologischer Systematik. Die tiefen Verzweigungen im Stammbaum der Vögel sind geprägt durch Phänomene erklärbar durch eine explosive Radiation einhergehend mit „Incomplete Lineage Sorting“ (ILS) und anzestraler Hybridisierung. Dies und die tiefe Divergenz (mehr als 65 Millionen Jahre) machen es schwierig, auf der Basis von Sequenzvergleichen phylogenetische Signale und Rauschen zu unterscheiden. Mit Insertionen springender Gene als Marker historischer Speziations-Ereignisse hingegen sind wir in der Lage, ein nahezu homoplasie-freies System zu betrachten, das direkte Information über historische Polymorphismen divergierender Arten geben kann. Dies wurde in einer ersten, bahnbrechenden Publikation über „Mesozoic retroposons reveal parrots as the closest living relatives of passerine birds“ in „Nature Communications“ 2011 publiziert und in einer zweiten Publikation „Retroposon insertion patterns of neoavian birds: strong evidence for an extensive incomplete lineage sorting era“ in „Molecular Biology and Evolution (MBE)“ 2012 detailliert dargestellt. Die frühen Abspaltungen der Neoaves zeigen ein Mosaik an konkurrierenden „presence/absence“-Retroposons. Verlässt man diese phylogenetische Problemzone hin zu jüngeren Abzweigungen, werden die phylogenetischen Signale immer stärker und erweisen sich dann innerhalb der Eufalconimorphae als konfliktfrei. In diesem Teil der Vogelevolution konnten dann erstmals signifikante Daten für die nahe Verwandtschaft von Sperlingsvögeln und Papageien als Taxon Psittacopasserae gezeigt werden, eine seit langem ungeklärte Frage. Die Schwestergruppe sind die Falken, die eine Paraphylie zu anderen Greifvögeln zeigen. Diese neuen Abstammungslinien konnten genutzt werden, um zu erkennen, dass die Fähigkeit zum Erlernen von Gesang in einem gemeinsamen Vorfahren der Sperlingsvögel und Papageien und vermutlich unabhängig in Kolibris erworben wurde, ersteres vermutlich bereits während der Koexistenz von Vögeln und Dinosauriern. Dies wurde als Nature-Highlight „Rearranging the bird tree of life“ und in vielen nationalen und internationalen Presseberichten referiert. Dass Retroposons nicht nur als phylogenetische Marker, bzw. zur Detektion von phylogenetischen Grauzonen herangezogen werden können, haben wir 2011 gezeigt. Dabei wurden Insertionen in sogenannten Gametologen (spezifische Homologe der beiden Geschlechtschromosomen) gesucht und deren Evolution in allen großen Linien der Vogelsystematik rekonstruiert. Diese Marker konnten herangezogen werden, um schnell und eindeutig das Geschlecht von Vögeln zu bestimmen. Die Insertion in einem der beiden Gametologen ist nach PCR-Amplifikation und Gelelektrophorese leicht an der Längenvariation im weiblichen Geschlecht erkennbar (zwei Banden im Vergleich zu einer großen Bande im männlichen Tier). Daraus haben wir einen Schnelltest zur Geschlechtsbestimmung entwickelt (Patente 2012). Auch im Zeitalter der Genomik entziehen sich viele Bereich phylogenetischer Bäume einer direkten und umfangreichen Analyse, da Genom-sequenzierte Modelarten fehlen. In einer weiteren Arbeit präsentierten wir 2012 eine Methode, wie im Hochdurchsatz über das Anlegen von DNA-Banken schnell und sicher phylogenetisch informative Insertionen gefunden werden können. In dieser methodischen Publikation haben wir erstmals das Verwandtschaftsverhältnis der Flamingos und Lappentaucher auf der Basis springender Gene aufgelöst. In einer weiteren bedeutenden Studie, die in „Nature Communications“ im Druck ist, wurde erstmals ein komplettes Genom eines ca. 82 Millionen Jahre alten „fossilisierten“ Hepatitis B- verwandten Virus in Vögeln identifiziert. Der Vergleich zu heutigen Hepadnaviridae zeigt erstaunlich große strukturelle Übereinstimmungen und lässt eine virale Übertragung von Vögeln zu Säugetieren vor ca. 12 Millionen Jahren vermuten.

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