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Polychrome Entwürfe höfischer Welten: Farben und ihre Semantiken in erzählender Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts

Subject Area German Medieval Studies (Medieval German Literature)
Term from 2008 to 2011
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 84499181
 
Final Report Year 2015

Final Report Abstract

Die im Rahmen des Projekts entstandenen Publikationen dokumentieren auf unterschiedlichen Ebenen den großen Erkenntnisgewinn, den eine kulturtheoretisch ausgerichtete, textzentrierte Aufarbeitung der Farbevokationen von Heldenepik und Höfischem Roman des 12. und 13. Jahrhunderts hervorzubringen vermag. Auf der Grundlage einer systematischen Durchsicht des gesamten Textcorpus konnten die spezifisch literarischen Verfahren sprachlicher Farbimaginationen in erzählenden Genres in ihrer Replik auf Verfahren einer christlichen Hermeneutik erstmals detailliert beschrieben werden. In diskurshistorischer Hinsicht stellen sowohl die erzählten Einzelfarben als auch die unterschiedlich konkretisierten Evokationen von Farbigkeit und Farblosigkeit einen wesentlichen Baustein einer die Texte auszeichnenden Poetik der Visualität dar. Die Funktion erzählter Farben und Farbigkeit lässt sich gattungsdistinkt bestimmen. Für das Heldenepos bieten Farballusionen und -codierungen die Möglichkeit, Voraussetzungen und Problemlagen jener in den Texten poetisierten Formen adeliger Herrschaft affirmativ, bewertend oder kritisch zu akzentuieren. Im Höfischen Roman hingegen fungieren sie als wesentliche Bestandteile von im Rahmen des antik-christlichen Schönheitsdiskurses ausgehandelten Fragen nach den Grundlagen, den Normen und den Gefährdungen adeliger Identität. Gattungsübergreifend fungieren Farbcodierungen als zentrale Medien erzählender Literatur, insofern sie eine spezifische Ebene von Bewertungen und Kommentierungen des erzählten Plots bilden. Gegenüber der Ausgangshypothese der Projektarbeit, die die mittelalterliche Polychromie als Medium von personaler und gesellschaftlicher Repräsentation auch in der Literatur zu fassen suchte, führte die Arbeit an den Teilprojekten hier zu einer entscheidenden Präzisierung: sprachlich evozierte Farben und ihre Codierungen bilden für erzählende Texte ein entscheidendes Fundament für eine nicht-rational begründende Form der Einflussnahme auf die Rezipienten der Texte. Ob als zentraler Marker eines Orientialismusdikurses der Vormoderne oder als ambivalentes Zeichen einer irisierenden Wirkung weiblicher Schönheit, ob als Code für fundamentale gesellschaftliche und personale Krisen oder als verbürgendes Zeichen christlicher Herrschaftsansprüche: Erzählte Farben und Farbigkeit sind feste Bausteine literarischer Imagination, die mentale Einstellungen von langer Dauer über die Vormoderne hinaus entscheidend zu prägen vermögen.

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