Transformationen der Psychoanalyse Freuds im Werk Walter Benjamins und ihre Bedeutung für seine autobiographischen und film-/medientheoretischen Schriften.
Final Report Abstract
Die vorliegende Untersuchung basiert auf der Erschließung sämtlicher die Psychoanalyse und Freud betreffenden Stellen in Benjamins Schriften. Sie wurden für die Auswertung in eine systematische Anordnung umgesetzt und als Zitatauszüge dokumentiert. Die Dokumentation ist eingebettet in einen fortlaufenden Kommentar, der die Zitat-Kontexte In Benjamins Schriften näher erläutert und die Bezüge auf Freuds Werke genauer erschließt. Anders als bisher wahrgenommen wird damit der erstaunliche Umfang und der Aspektreichtum dieser Bezüge erstmals aufgewiesen. Benjamin rekurriert in den verschiedensten Schriften seit 1925 immer wieder auf die Psychoanalyse und räumt ihr eine hohe Bedeutung für sein eigenes Denken und Schreiben ein. Mit dieser Positionierung stellt er unter den philosophischen Intellektuellen der Weimarer Zelt eine Ausnahme dar; mit ihr unterscheidet er sich im Pariser Exil auch deutlich von der ideologiekritisch-distanzierende Haltung Horkheimers und Adornos, mit denen er in enger Verbindung stand. Die besondere Art und Weise der Freudrezeption Benjamins - dies ist das zweite wesentliche Ergebnis - zielt nicht auf einen Ausbau der psychoanalytischen Methode, sondern besteht in einer entwendenden Aneignung bestimmter Theoreme und Denkfiguren, die er in eigene Problemstellungen einbaut und produktiv in neue Perspektiven rückt. Deshalb ist nicht so sehr von einer Rezeption als vielmehr von einer Transformation der Psychoanalyse zu sprechen. Zahlreiche der so entstandenen Problemstellungen weisen einen experimentellen Charakter auf und bieten weiter zu verfolgende Anschlüsse an gegenwärtige Debatten, die sich wieder verstärkt historisch-politischen Fragen stellen. Zum Abschluß des Projekts kann gesagt werden, daß mit der Publikation der entstandenen Texte die für die Forschung auf längere Zelt maßgebliche Untersuchung zum Thema Freud-Rezeption in Benjamins Werk vorliegen wird. Da das allgemeine Interesse an diesem Werk im Spektrum der Geisteswissenschaften (einschließlich der Kultur- und Medienwissenschaften) nach wie vor groß Ist, könnte die Publikation mit dazu beitragen, der Erforschung der intellektuellen Konstellationen, die sich in der Zwischenkriegszeit (1920-1940) herausgebildet hatten und deren Theorie-Potential noch vielfach unerschlossen ist, neue Aufmerksamkeit zu widmen.