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Erfassung und Analyse syntaktischer und semantischer Eigenschaften von Präposition-Substantiv-Sequenzen unter Verwendung computerlinguistischer Analyseverfahren

Antragsteller Professor Dr. Tibor Kiss
Fachliche Zuordnung Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung Förderung von 2008 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 100083012
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt beschäftigte sich mit der Fragestellung, durch welche Faktoren eine Kombination legitimiert wird, wenn entsprechend den Regeln der Grammatik eine Präposition nur mit einer vollständigen NP verbunden werden dürfte, bei der Kombination von Präposition und Nominalprojektion ohne Artikel aber eine solche vollständige NP nicht vorliegt, z.B. auf parlamentarische Anfrage, bei absolut klarer Zielsetzung, in untertreibender Anspielung, mit schwer beladenem Rucksack, ohne mündliche Vorwarnung, unter sanfter Androhung. Ein wesentliches erstes Ergebnis der Analyse ist, dass solche Kombinationen in vielfältigen Formen auftreten. Aus der Perspektive der Grammatikschreibung sind unter diesen Formen aber insbesondere solche interessant, die vier Eigenschaften besitzen. Das Substantiv in der Kombination muss zählbar sein, der Wegfall des Artikels darf nur möglich sein, wenn die Phrase in einer PP eingebettet realisiert ist, der Artikelwegfall muss strikt optional sein und die Kombination muss den prinzipiellen Status einer Phrase besitzen. Im Rahmen des vorliegenden Vorhabens wurden für Kombinationen, die die o.g. Bedingungen erfüllen, ein neues, korpusbasiertes Verfahren der linguistischen Analyse angewandt, das sog. "Annotation Mining". Beim Annotation Mining werden Korpusdaten automatisch und manuell annotiert. Die resultierende Annotationsrepräsentation wird dann verwendet, um mittels Klassifikatoren aus dem Machine Learning Generalisierungen zur Bildung der Konstruktion abzuleiten. Im vorliegenden Fall bieten sich als Klassifikatoren sog. GLMMs (Generalized Linear Mixed Models) an, die es erlauben, auf der Basis endlicher und unendlicher Ausprägungen von Merkmalen ein binäres Klassifikationsergebnis vorherzusagen - im vorliegenden Fall die Realisation oder den Wegfall des Artikels. Hierbei ergaben sich die folgenden wesentlichen Ergebnisse: 1) Der Wegfall des Artikels ist bei unterschiedlichen Präpositionen unterschiedlich regelhaft ausgebildet. Bei der Präposition "ohne" ist vollständige Regelhaftigkeit erkennbar, bei der Präposition "über" wird der Wegfall des Artikels hingegen durch die Kombination mit bestimmten Substantiven legitimiert. 2) Im regelhaften Fall wird der Wegfall des Artikels durch syntaktische und semantische Faktoren bedingt. Ein wesentlicher syntaktischer Faktor ist die syntaktische Komplexität der Nominalprojektion, ein wesentlicher semantischer Faktor ist die Bedeutung der Präposition. Interessanterweise scheint die Semantik des Substantivs (insbesondere sein Referentialitätsstatus) demgegenüber eine deutlich geringere Rolle zu spielen. Dazu treten weitere Faktoren, deren genauer Einfluss noch weiter untersucht werden muss. Besonders bemerkenswert ist hierbei der Einfluss der Derivation bei den Substantiven und das Vorhandensein adjektivischer Modifikation. 3) Da bei der Analyse der Präpositionsbedeutungen nicht auf bestehende Ressourcen zurückgegriffen werden konnte, wurde im Rahmen des Projekts eine systematische Darstellung der Abbildung von Präpositionsformen auf Präpositionsbedeutungen entwickelt, die auch unabhängig von der hier diskutierten Fragestellung genutzt werden kann. Das System verwendet hierarchische Strukturierungen für übergeordnete Bedeutungen (z.B. spatial, temporal) und erlaubt dem Benutzer anhand von Entscheidungsbäumen eine Zuweisung maximal spezifischer Bedeutungen. Hierbei besteht auch die Möglichkeit, semantische Relationen (insbesondere Synonymie und Antonymie) zwischen unterschiedlichen Präpositionsformen sichtbar zu machen, da die Bedeutungen durch Merkmale repräsentiert werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2011. Annotating Spatial Interpretations of German Prepositions. In: O'Conner, L. (Hrsg.): 2011 Fifth IEEE International Conference on Semantic Computing, 459–466. Stanford, CA
    Müller, Antje, Claudia Roch, Tobias Stadtfeld und Tibor Kiss
  • 2012. EXCOTATE: An Add-on to MMAX2 for Inspection and Exchange of Annotated Data. In Proceedings of COLING 2012. Mumbai, India
    Stadtfeld, Tobias und Tibor Kiss
  • 2012. The Annotation of Preposition Senses in German. In: Stolterfoht, Britta und Sam Featherston (Hrsg.): Empirical Approaches to Linguistic Theory: Studies in Meaning and Structure. Berlin/New York. Mouton de Gruyter. 63–82
    Müller, Antje, Claudia Roch, Tobias Stadtfeld und Tibor Kiss
  • 2014. Antonymic Prepositions and Weak Referentiality. In Aguilar, Ana, Le Bruyn, Bert und Joost Zwarts (Hrsg.). Weak Referentiality. Amsterdam: John Benjamins, 73–100
    Kiss, Tibor und Claudia Roch
  • (2016). Determiner Omission in German Prepositional Phrases. Paper (Sprachwissenschaftliches Institut. Ruhr-Universität Bochum). PDF: 54 S.
    Kiss, T.
  • 2014, 2. Aufl. 2016. Ein Handbuch für die Bestimmung und Annotation von Präpositionsbedeutungen im Deutschen. BLA: Bochumer Linguistische Arbeitsberichte 14. Bochum
    Kiss, Tibor, Antje Müller, Claudia Roch, Tobias Stadtfeld, Katharina Börner und Monika Duzy
 
 

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