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Jugendliche Freizeiträume und der Wandel staatlicher Jugendpolitik. Die Jugendzentrumsbewegung und kommunalpolitische Konflikte um selbstverwaltete Jugendzentren in der Bundesrepublik der 1970er Jahre

Antragsteller Professor Dr. Axel Schildt (†)
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2010 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 182721229
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Mit dem Projekt wurde die „Jugendzentrumsbewegung“ der 1970er Jahre, in der sich jugendkulturelle Aspekte mit Formen einer „neuen sozialen Bewegung“ verbanden, erstmals umfassend untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass die Bedeutung der Bewegung darin lag, die Impulse der neuen Jugendkultur und die im Gefolge von „1968“ entstandenen politischen Ideen, Praxen und Ausdrucksformen in die suburbanen und ländlich-kleinstädtischen Regionen Westdeutschlands getragen zu haben. Die damit einhergehenden Konflikte und Wandlungsprozesse konnten mit Blick auf die Akteure auf kommunaler Seite, aber auch die Resonanz in lokalen Öffentlichkeiten und Medien, herausgearbeitet werden. Das Projekt hat die sozialen und politischen Konturen der Jugendzentrumsbewegung als jugendlicher Protestbewegung ebenso analysiert wie die Auseinandersetzungen und Aushandlungsprozesse mit den kommunalen Behörden. Für die Ebene staatlicher und kommunaler Jugendpolitik kam die Untersuchung zu folgenden Ergebnissen: Für die frühen 1970er Jahre ist von einer komplexen Gemengelage auszugehen – aus Reformbestrebungen und einer Offenheit für neue Formen der Jugendarbeit auf der einen Seite, die sich in der Förderung von „Modellprojekten“ und einem „Experiment“-Diskurs niederschlugen, und einer deutlich verbreiteteren Skepsis und Vorbehalten gegenüber neuen jugendkulturellen und pädagogischen Phänomenen, die bis zu klarer Ablehnung reichen konnten, auf der anderen Seite. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts wichen auch die reformorientierten Züge in der Jugendpolitik einem verbreiteten Diskurs des „Scheiterns“ selbstverwalteter Jugendzentren, der eng verbunden war mit einer Zunahme an reglementierenden Eingriffen und Schließungen von Einrichtungen. Trotz dieser Voraussetzungen kam es im Laufe des Jahrzehnts zur Einrichtung von mehreren hundert selbstverwalteten Jugendzentren, deren Institutionalisierungsgrad allerdings vielfach nur schwach ausgeprägt war. Mit Hinblick auf Generationswechsel der Aktivengruppen und die Spannung zwischen jugendlicher Autonomie und kommunaler Kontrolle kann deshalb von einer „prekären Institutionalisierung“ gesprochen werden. Die Bewegung beförderte den Ausbau der lokalen Versorgung mit Jugendfreizeiteinrichtungen insbesondere in suburbanen und ländlichen Regionen und trug zu einer Modernisierung der Formen kommunaler Jugendarbeit mit bei. Mit der Untersuchung der westdeutschen Jugendzentrumsbewegung der Jahre 1970-1982 hat das Projekt neue Erkenntnisse in der Erforschung der „neuen sozialen Bewegungen“, der Jugendkulturen und der staatlichen/kommunalen Jugendpolitik und Jugendarbeit gewonnen. Dem großstädtischen Fokus der bisherigen Forschung konnte mit der Untersuchung der Diffusion politisch-kultureller Formen in die „Provinz“, die suburbanen und ländlichkleinstädtischen Räume, eine neue Perspektive gegenübergestellt werden. Über diese konnten die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse, die die Jugendbewegungen zwischen den 1960er und 1980er Jahren mit vorantrieben, auf der lokalen Ebene grundiert werden. Der Fokus auf Konflikte und Aushandlungsprozesse ermöglichte es, die Reaktionen auf und den Umgang mit der jugendlichen Protestbewegung durch Politik, Verwaltung, Medien, Verbände und Bevölkerung ebenso herauszuarbeiten wie die konfliktbeladene Integration und prekäre Institutionalisierung selbstverwalteter Jugendfreizeiteinrichtungen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Jugendzentrumsinitiativen und Konflikte um selbstverwaltete Freizeiträume im Kreis Pinneberg während der 1970er Jahre, in: Zeitgeschichte in Hamburg 2010, hrsg. von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte, Hamburg 2011, S. 71-87
    Templin, David
  • Freiräume vom Provinzalltag. Jugendzentrumsinitiativen im ländlich-kleinstädtischen Raum in den 1970er Jahren, in: Die „andere“ Provinz. Kulturelle Auf- und Ausbrüche in der Bodensee-Region seit den 1960er Jahren (Kleine Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz, Band 13), hrsg. von Heike Kempe, Konstanz 2014, S. 299-326
    Templin, David
  • Jugendbewegung im Dissertationsprojekt: Auf der Suche nach einer „neuen Jugendbewegung“? Der Bund Deutscher Pfadfinder (BDP) und die Jugendzentrumsbewegung der 1970er-Jahre, in: Jürgen Reulecke (Hg.): 50 Jahre danach – 50 Jahre davor. Der Meißnertag von 1963 und seine Folgen (Jugendbewegung und Jugendkulturen, Jahrbuch 9/2012-13), Göttingen 2014, S. 321-324
    Templin, David
  • Wie die Geschichte der Jugendzentrumsbewegung erforschen? Quellenbestände, Überlieferungslage und Materialrecherche. In: Sammeln – erschließen – vernetzen. Jugendkultur und soziale Bewegungen im Archiv, hrsg. G. Fiedler, S. Rapper-Weber und D. Siegfried, 27-43. Göttingen: V&R unipress, 2014
    Templin, David
 
 

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