Detailseite
Projekt Druckansicht

Die wiederentdeckte Felsinais des Marco Girolamo Vida. Interpretation zentraler und kulturgeschichtlicher Aspekte

Antragstellerin Dr. Carla Piccone
Fachliche Zuordnung Germanistische Mediävistik (Ältere deutsche Literatur)
Griechische und Lateinische Philologie
Förderung Förderung von 2015 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 270299586
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In der vatikanischen Handschrift Chig. I. VI. 232 wird ein Epos über den Krieg zwischen der Stadt Bologna und den päpstlichen Truppen im Jahr 1506 überliefert, das fünfhundert Jahre lang in Vergessenheit geraten war. Nach der jüngst erfolgten Wiederentdeckung ist dessen Titel als Felsinais identifiziert worden und die Autorschaft Marco Girolamo Vida (1485–1566), einem der bedeutendsten Literaten der italienischen Renaissance, zugeschrieben worden. In der Förderungszeit wurde das Thema „Krieg“ in der Felsinais untersucht: in einer ersten Forschungsphase wurde der ganze Text mit dem Ziel analysiert, die Stellen zu bestimmen, in denen das erforschte Thema vorkommt; in einer zweiten Phase wurden die identifizierten Passagen auf drei Feldern untersucht: 
 1. Die Auswertung der üblichen Datenbanken hatte den Zweck herauszufinden, von welchen klassischen Autoren Vida in der Beschreibung der Militäraktionen beeinflusst ist, und zu beschreiben, mit welchen Strategien der Autor sich diese klassische Erbe zu eigen macht. 2. Eine parallele Lektüre der ausgewählten Stellen der Felsinais und der Rekonstruktion derselben Geschehnisse, die in den historischen Quellen (Fileno della Tuata und Cherubino Ghirardacci) zu finden ist, sollte ans Licht bringen, ob die realen Entwicklungen des Krieges in der von Vida komponierten literarischen Behandlung der Ereignisse eine Rolle gespielt haben. 3. Die präzise Darstellung der Militäraktionen hatte vermuten lassen, dass Vida eine profunde Kenntnis der Militärtechniken hatte, die er den zeitgenössischen technischen Texten zur Militärkunst entnehmen konnte. Daher wurden die im 15. und 16. Jh. verbreitetsten artes militares identifiziert und mit den untersuchten Passagen der Felsinais verglichen. Die Analyse des Werkes hat drei lange Stellen des vierten und des fünften Buches in den Blick genommen, in denen die erste Auseinandersetzung zwischen den Bolognesern und den päpstlichen Truppen (Fels. IV, 596–774), ein Zweikampf zwischen einem Bologneser und einem Franzosen (Fels. V, 891–1082) sowie die Belagerung Bolognas (V, 80–950) erzählt werden. Ein Vergleich zwischen dem Inhalt dieser Passagen und dem einiger Chroniken hat ergeben, dass Vida in seinem Werk einige historische Episoden bearbeitet hat, in denen er die Ideen der päpstlichen Propaganda zum Ausdruck bringt. Die Auswertung der Datenbanken hat einerseits keinen konkreten klassischen Hypotext der Stellen ergeben, die die typischen Elemente der Gattung wie eine Teichoskopie oder eine Aneinanderreihung von tödlichen Kämpfen enthalten. Andererseits hat sie gezeigt, wie der humanistische Dichter in einigen Fällen in subtiler Weise bestimmte Stellen aus den Werken des Statius und des Silius Italicus bearbeitet, die dem panegyrischen Kontext angepasst werden. Da die literaturwissenschaftliche Forschung zu Vidas literarischer Produktion bisher nie einen Einfluss der Epiker der flavischen Epoche auf Vida nachgewiesen hat, kann dieser Befund als überraschendes Ergebnis gelten. Unerwartet war auch, dass einige Stellen des zweiten Buches, in denen ausführlich Belagerungstaktiken beschrieben werden, keinen Berührungspunkt mit den verbreitetsten artes militares zeigen. Eine endgültige Klärung dieses Punktes werden erst weitere, vertiefende Studien ermöglichen.

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung