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Entwertung der Erfahrung? Erwartungsbildung in kleinen und mittleren Unternehmen im wirtschaftlichen Strukturwandel seit den 1970er Jahren

Fachliche Zuordnung Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Förderung Förderung von 2015 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 275239294
 
Das Projekt fragt nach dem Stellenwert historischer Erfahrung bei der Erwartungsbildung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) im ökonomischen Strukturwandel seit den 1970er Jahren: Hat der Strukturwandel mit seinen steigenden Anforderungen an die Entscheidungsfindung in diesen meist inhaber- oder familiengeführten Unternehmen zu einer Entwertung des Erfahrungswissens bei der Erwartungsbildung geführt? Doppelte Ausgangshypothese des Vorhabens ist, dass das Mitte der 1960er Jahre präsente und intuitiv genutzte Erfahrungswissen der Inhaber und Geschäftsführer von KMU, erstens, maßgeblich geprägt war von den unternehmerischen Erfolgen der ersten beiden Nachkriegsjahrzehnte und dass es, zweitens, im Zuge der Professionalisierung des Managements durch bestimmte funktionale Äquivalente einer stärker rational ausgerichteten, nicht-personalen, organisationsbezogenen Erwartungsbildung im Sinne Niklas Luhmanns ersetzt wurde. Folgt man dieser Hypothese, so ist von einem bewussten Verzicht auf die eher adaptive, auf individuelle Erfahrungen rekurrierende Erwartungsbildung zugunsten des verstärkten Einsatzes von methodisch avancierten Analyse- und Prognosetechniken sowie Beratungsverfahren in allen wichtigen Bereichen der Corporate Governance auszugehen. Doch diese Annahme ist zugleich in Frage zu stellen: Möglicherweise kam es auch zu gegenläufigen Entwicklungen, weil die Professionalisierung angesichts wiederholter Unternehmenskrisen schnell an ihre eigenen Grenzen stieß? Griffen die Inhaber und Geschäftsführer von KMU, konfrontiert mit wachsenden Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Strukturwandels, vielleicht sogar vermehrt auf historisches, unter Umständen weiter zurückliegendes und weiter ausgreifendes Erfahrungswissen zurück? Diesen Leitfrage geht das Projekt in drei Untersuchungsfeldern nach: erstens Gestaltung der Gesellschafterverhältnisse sowie der Leitungs- und Kontrollstrukturen, zweitens Wahl von Unternehmensstrategien und daraus abgeleiteten Organisationsstrukturen sowie drittens Planung und Umsetzung von Investitionen sowie ihrer Finanzierung. Es platziert sich damit im zentralen Themenfeld Unternehmen, Innovation und technischer Wandel des SPP 1859. Gearbeitet wird mit einem interdisziplinären methodischen Ansatz, der die Grundideen der truly bounded rationality (Gigerenzer/Selten), der animal spirits (Akerlof/Shiller) und der fictional expectations (Beckert) kombiniert. Auf dieser Basis wird zunächst ein dynamisches heuristisches Modell für die erfahrungsbasierte Erwartungsbildung von KMU seit den 1970er Jahren entwickelt. In einem zweiten Schritt wird dieses Modell für die empirische Analyse eines Fallbeispiels (Philippine/Saarpor) genutzt, somit zugleich kritisch überprüft, und, falls erforderlich, anpasst. Erweist sich das Modell als tragfähig und fruchtbar, so ist perspektivisch daran gedacht, es in einem Folgeprojekt für die systematisch-vergleichende Analyse eines größeren Samples von KMU aus verschiedenen Ländern zu nutzen.
DFG-Verfahren Schwerpunktprogramme
 
 

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