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Aristotelische Verhandlungen. Verflechtung von Tragödientheorie und Wissensgeschichte (Fortsetzungsantrag)

Antragsteller Dr. Arata Takeda
Fachliche Zuordnung Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Förderung Förderung von 2015 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 276860685
 
Im Zuge der Beschäftigung mit dem Verlauf und Ausgang der aristotelischen Verhandlungen, d. h. der tragödientheoretischen Kontroversen um den scheinbaren Widerspruch zwischen Kapitel 13 und 14 von Aristoteles’ „Poetik“ zwischen Renaissance und Aufklärung, ist deutlich geworden, dass die Begünstigung der Poetik des harten Pathos (Kapitel 13) und die Marginalisierung der Poetik des weichen Pathos (Kapitel 14) neben den spezifischen theoriegeschichtlichen auch allgemeine wissensgeschichtliche Ursachen haben. Die Schwierigkeit des Arguments von Kapitel 14 lag nicht nur in seinem ‚Widerspruch‘ zu dem von Kapitel 13, sondern in noch viel grundsätzlicherer Hinsicht in seiner augenfälligen Diskrepanz zu einem autoritativ tradierten Wissen, das als das Stereotyp des unglücklichen Tragödienausganges bezeichnet werden kann. Dieses der philologischen Faktenlage hohnsprechende Stereotyp wurzelt in einer bis weit in die Antike zurückreichenden Wissenstradition, die die mittelalterliche Vorstellung von Tragödie (und Komödie) ohne jeden Bezug zu Drama und Theater systematisch mitgeprägt hat und noch heute in der populären Auffassung der Tragödie übermächtig nachwirkt. Allein schon angesichts dieses Stereotyps musste das Argument von Kapitel 14 zum Problem werden, schien es doch eindeutig den glücklichen Ausgang zu priorisieren. Diese Beobachtungen führen zu einer Problemstellung, die im Rahmen des Erstantrages nicht vorgesehen war, für die Endqualität des Projektes jedoch entscheidend erscheint. Die sichtlich enge Verstrickung der aristotelischen Verhandlungen mit der Wirkungsgeschichte des Stereotyps des unglücklichen Tragödienausganges erfordert eine ergänzende Untersuchung des wechselvollen Verhältnisses zwischen philologischem Faktenwissen, poetologischem Spezialwissen und stereotypem Populärwissen innerhalb der Theoriegeschichte der Tragödie. Die aristotelischen Verhandlungen werden nur dann ganzheitlich und aussagefähig dargelegt werden können, wenn dieses Verhältnis mit seinen wichtigen Umschlagsmomenten in die abschließenden Überlegungen einbezogen wird. Dem Projekt wächst somit die zusätzliche Aufgabe zu, in einem breiteren wissensgeschichtlichen Zusammenhang zu erforschen, wie signifikant sich das Stereotyp des unglücklichen Tragödienausganges auf den Verlauf der aristotelischen Verhandlungen ausgewirkt hat und inwieweit die einzelnen Argumente, die darin für oder gegen die Poetik des weichen Pathos ins Feld geführt werden, von der philologischen Infragestellung des Stereotyps profitieren oder sich weiterhin vom Regime des Stereotyps diktieren lassen. Mit der beantragten Fortsetzung beansprucht das Projekt, in Verbindung mit der bisherigen Arbeit einen Pionierbeitrag zu einem poetologie- und wissensgeschichtlich problembewussten Tragödienverständnis zu leisten.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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